Beschränkung von „Mikroplastik“

REACH: Beschränkung von „Mikroplastik“ in Kraft getreten

Die Beschränkung von synthetischen Polymermikropartikel (vormals und umgangssprachlich auch „Mikroplastik“) wurde mit Verordnung (EU) 2023/2055 vom 25.09.2023 als Eintrag Nr. 78 in Anhang XVII zu REACH eingeführt. Nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union am 27.09.2023 (ABl. L 238 vom 27.09.2023, S. 67) trat diese am 17.10.2023 in Kraft. Damit hat ein durchaus kontrovers betrachtetes Beschränkungsverfahren, das auf Verlangen der EU-Kommission initiiert wurde, nach über fünf Jahren seinen Abschluss gefunden.

In diesem Beitrag werden der grundsätzliche Anwendungsbereich der neuen Beschränkung (dazu unter A.), bestehende Ausnahmen und Übergangsfristen (dazu unter B. bis D.) sowie neu eingeführte Informationspflichten (dazu unter E. und F.) vorgestellt. Der vollständige Verordnungstext ist HIER abrufbar.

A. Anwendungsbereich (Spalte 1 und Spalte 2 Abs. 1)

Jenseits spezifischer Regelungen und Anforderungen folgt aus der Beschränkung ab dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens, dass synthetische Polymermikropartikel als solche oder, wenn die synthetischen Polymermikropartikel vorhanden sind, um eine gewünschte Eigenschaft zu verleihen, in Gemischen in einer Konzentration von ≥ 0,01 Gewichtsprozent nicht mehr in Verkehr gebracht werden dürfen (vgl. Abs. 1 des Eintrags Nr. 78 in Anhang XVII zu REACH).

Als synthetische Polymermikropartikel gelten dabei feste Polymere die beide der folgenden Bedingungen erfüllen:

  1. sie sind in Partikeln enthalten und machen mindestens 1 Gewichtsprozent dieser Partikel aus oder bilden eine kontinuierliche Oberflächenbeschichtung auf Partikeln;
  2. mindestens 1 Gewichtsprozent der unter Buchstabe a genannten Partikel erfüllt eine der folgenden Bedingungen:
    • alle Dimensionen der Partikel sind gleich oder kleiner als 5 mm oder
    • die Länge der Partikel ist gleich oder kleiner als 15 mm und das Verhältnis von Länge zu Durchmesser ist größer als 3.

Ausgenommen bleiben allerdings abbaubare oder wasserlösliche Polymere sowie natürliche Polymere, die nicht chemisch modifiziert wurden. Ebenso werden Polymere nicht vom Anwendungsbereich erfasst, die in ihrer chemischen Struktur keine Kohlenstoffatome enthalten.

Mit der Beschränkung wird allein das Inverkehrbringen von synthetischen Polymermikropartikeln als solchen oder in Gemischen verboten. Eine Regelung, die solche Partikel in, an oder auf Erzeugnissen in den Blick nimmt und das Inverkehrbringen jener Erzeugnisse verbieten würde, enthält die Verordnung indes nicht. Die Abgrenzung zwischen Stoffen/Gemischen einerseits und Erzeugnissen andererseits ist dabei nach den bekannten Kriterien entsprechend der ECHA-Leitlinie zu den Anforderungen für Stoffe in Erzeugnissen vorzunehmen. So werden z.B. Textilien oder Schuhe mit dekorativem Glitter regelmäßig ausschließlich als Erzeugnisse einzuordnen sein, sodass die Beschränkung auf derartige Produkte keine Anwendung findet.

B. Übergangsregelung für bereits in Verkehr gebrachte Ware (Spalte 2 Abs. 16)

Anders als bei vielen anderen Beschränkungen gem. REACH ist im Rahmen der Beschränkung von synthetischen Polymermikropartikeln kein genereller Aufschub für den Anwendungsbeginn vorgesehen. Die Beschränkung findet damit unmittelbar mit ihrem Inkrafttreten Anwendung. Dies bedeutet allerdings nicht, dass damit ebenso unmittelbar ein Verkaufsverbot einhergeht. Absatz 16 des Eintrags Nr. 78 in Anhang XVII zu REACH stellt – auch und gerade im Zusammenspiel mit dem Erwägungsgrund (60) zur Verordnung (EU) 2023/2055 – klar, dass vom Anwendungsbereich der Beschränkung erfasste Produkte (auch z.B. loser Glitter) weiter verkehrsfähig sind, soweit diese (erstmals) vor dem 17.10.2023 in Verkehr gebracht wurden. (vgl. hierzu mittlerweile ausdrücklich auch die Klarstellung des REACH-CLP-Biozid Helpdesks).

Damit kann grundsätzlich jedwede Ware auf allen Stufen der Lieferkette auch nach dem 17.10.2023 weiter vertrieben, d.h. weiter in Verkehr gebracht werden (vgl. Art. 3 Nr. 12 REACH), soweit diese bereits vor dem genannten Termin auf vorgelagerten Stufen der Lieferkette im Geltungsbereich der REACH-Verordnung in Verkehr gebracht war. Ausreichend, aber auch erforderlich ist daher, dass die Ware vor dem 17.10.2023 von einem Akteur in der Lieferkette an einen anderen abgegeben wurde oder vor dem 17.10.2023 in den Geltungsbereich der REACH-Verordnung eingeführt wurde. Unter diesen Voraussetzungen sind daher auch Lagerbestände weiterhin verkehrsfähig.

Selbstverständlich sollten betroffene Unternehmen jedoch hinreichend genau dokumentieren können, dass und welche Produkte konkret bereits vor dem 17.10.2023 in Verkehr gebrachten waren und deshalb ihre Verkehrsfähigkeit auch nach diesem Stichtag nicht verlieren (z.B. über Chargennummern, Lieferscheine, Inventurdaten zum Stichtag o.ä.).

C. Anwendungs- und produktspezifische Ausnahmen

Die Beschränkung enthält darüber hinaus einige generelle Ausnahmen, etwa für Verwendungen in Industrieanlagen (mit weitergehenden Informationspflichten ab dem 17.10.2025 und zusätzlichen Berichtspflichten), Arzneimitteln, EU-Düngeprodukten, Lebensmittelzusatzstoffen, In-vitro-Diagnostika oder auch Lebens- und Futtermitteln (Spalte 2 Abs. 4).

Zudem finde die Beschränkung keine Anwendung, soweit die Partikel durch technische Mittel so eingeschlossen sind, dass eine Freisetzung in die Umwelt verhindert wird, wenn sie während der vorgesehenen Endanwendung vorschriftsmäßig verwendet werden, wie z.B. bei Ionenaustauscherharzen, Windeln oder Binden. Ferne bleiben solche synthetischen Polymermikropartikel von der Beschränkung ausgenommen, deren physikalische Eigenschaften während der vorgesehenen Endanwendung dauerhaft so verändert werden, dass das Polymer nicht mehr in den Anwendungsbereich dieses Eintrags fällt. Auch synthetische Polymermikropartikel, die während der vorgesehenen Endverwendung dauerhaft in eine feste Matrix integriert werden, bleiben ausgenommen. Erfasst werden hier v.a. Partikel in Gemischen, die im Rahmen der Endanwendung aushärten oder sich sonst verfestigen (Spalte 2 Abs. 5).

Da in diesen Fällen aber gleichwohl Freisetzungen von synthetischen Polymermikropartikeln nicht vollständig ausgeschlossen werden können, sind gerade auch für einige diese Produkte ab dem 17.10.2025 bzw. ab dem 17.10.2026 Anweisungen für die Verwendung und Entsorgung für gewerbliche Anwender und die breite Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen, in denen erläutert wird, wie die Freisetzung synthetischer Polymermikropartikel in die Umwelt verhindert werden kann (Spalte 2 Abs. 7 und 8).

Die Art und Weise der Erfüllung dieser zusätzlichen Informationspflicht ist in der Beschränkung nur recht allgemein umschrieben. Erforderlich ist jedenfalls eine Angabe in Form von deutlich sichtbarem, lesbarem und unauslöschlichem Text bzw. in Form von Piktogrammen. Die Angaben können auf einem Etikett, der Verpackung oder in der Packungsbeilage gemacht werden. Ist ein Sicherheitsdatenblatt nach Art. 31 REACH erforderlich, sind die Informationen dort aufzunehmen. Ergänzende (aber nicht ausschließliche) Verwendungen digitaler Zugangsformen bleibt ebenfalls möglich. Die entsprechenden Instruktionen sind, soweit keine Piktogramme verwendet werden, in den Amtssprachen der Mitgliedstaaten abzufassen, in denen der Stoff oder das Gemisch in Verkehr gebracht werden. Die Mitgliedstaaten können hierzu aber auch abweichende Regelungen treffen, zum Beispiel hinsichtlich der Akzeptanz auch anderer Sprachfassungen oder des Erfordernisses mehrsprachiger Hinweise (Spalte 2 Abs. 10).

Nicht erforderlich ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass auch ein expliziter Hinweis darauf gegeben wird, dass das jeweilige Produkt Mikroplastik enthält. Diese Anforderung besteht allein für bestimmte kosmetische Mittel (Spalte 2 Abs. 9).

D. Produkt-/verwendungsspezifische Übergangsfristen

Gerade kosmetische Mittel werden, zusammen mit anderen Produkten, von einer Vielzahl von – mitunter langen – Übergangsfristen erfasst, so dass die Beschränkung erst zu einem späteren Zeitpunkten Anwendung findet und entsprechende Produkte mit synthetischen Polymermikropartikeln erst nach Ablauf der so geschaffenen Übergangsfristen der Beschränkung unterfallen. Diese Übergangsfristen sind in Spalte 2 Abs. 6 wie folgt enthalten:

Die verlängerten Übergangsfristen gelten jeweils nur soweit die in Rede stehenden Produkte nicht anderen, früher endenden Übergangsfristen zugeordnet werden können. Produkte, die insofern verschiedenen Übergangsfristen zugeordnet werden könnten, werden grundsätzlich zum jeweils früheren Termin der Beschränkung unterfallen. 

E. Informationspflichten gegenüber der ECHA (Spalte 2 Abs. 12)

Ab dem Jahr 2027 müssen Lieferanten von Arzneimitteln und Tierarzneimitteln, Lebensmittelzusatzstoffen und In-vitro-Diagnostika, sowie von Produkten die synthetische Polymermikropartikel enthalten aber von der Beschränkung ausgenommen sind, weil diese durch technische Mittel eingeschlossen sind oder deren physikalische Eigenschaften während der vorgesehenen Endanwendung dauerhaft verändert werden oder diese in eine feste Matrix integriert werden, weitergehende Informationspflichten gegenüber der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) erfüllen.

Neben der Beschreibung der Endverwendungen, für die die synthetischen Polymermikropartikel im jeweils vorangegangenen Kalenderjahr in Verkehr gebracht wurden, sind auch für jede Endverwendung allgemeine Informationen über die Identität der im vorangegangenen Kalenderjahr in Verkehr gebrachten Polymere zu übermitteln. Ergänzt wird dies um eine Verpflichtung zur Abgabe einer Schätzung der Menge synthetischer Polymermikropartikel, die im vorangegangenen Kalenderjahr in die Umwelt freigesetzt wurden, einschließlich der Menge synthetischer Polymermikropartikel, die während des Transports in die Umwelt freigesetzt wurden.

Die entsprechenden Informationen werden den Mitgliedstaaten von der ECHA zur Verfügung gestellt.

F. Informationsverpflichtung gegenüber Vollzugsbehörden (Spalte 2 Abs. 14 und 15)

Nicht unterschätzt werden sollte letztlich auch die Verpflichtung von Herstellern, Importeuren und nachgeschalteten industriellen Anwendern von Produkten, die synthetische Polymermikropartikel enthalten, den zuständigen Behörden auf deren Ersuchen spezifische Informationen über die Identität und die Funktion der von der Beschränkung erfassten Polymere an die Hand zu geben. Dies wird insbesondere deshalb nicht trivial werden, da die spezifischen Informationen über die Identität der Polymere ausreichen müssen, um die Polymere eindeutig zu identifizieren. Dabei verweist die Beschränkung auf Anforderungen zur Bestimmung der Stoffidentität nach Anhang VI REACH, obwohl die dort enthaltenen Vorgaben für Zwecke der Registrierung von Stoffen eingeführt wurden und Polymere als solche gerade nicht der Registrierungspflicht unterliegen (vgl. Art. 6 Abs. 3 REACH). Dessen ungeachtet sind folgende Angaben auf Ersuchen der Behörden zur Verfügung zu stellen:

  • Name und andere Bezeichnungen des Stoffes
    • Name(n) laut IUPAC-Nomenklatur; falls nicht vorhanden, andere internationale chemische Bezeichnung(en)
    • Andere Namen (allgemeine Bezeichnung, Handelsname, Abkürzung)
    • EG-Nummer, d. h. die Einecs-, ELINCS- oder NLP-Nummer oder die von der Agentur zugeteilte Nummer (sofern vorhanden und sachdienlich)
    • CAS-Bezeichnung und CAS-Nummer (sofern vorhanden)
    • Sonstiger Identifizierungscode, z. B. Zollnummer (sofern vorhanden)
  • Angaben zu Summen- und Strukturformel oder Kristallstruktur des Stoffes
    • Summen- und Strukturformel (einschließlich Smiles-Notation und anderer Repräsentation, sofern vorhanden) und Beschreibung der Kristallstruktur(en)
    • Angaben zur optischen Aktivität und zum typischen Anteil von (Stereo-)Isomeren (falls zutreffend und sachdienlich)
    • Molekulargewicht oder Molekulargewichtsbereich
  • Alle für die Identifizierung des Stoffes erforderlichen qualitativen analytischen Daten wie z. B. Ultraviolett-, Infrarot-, NMR-, Massenspektrografie- oder Diffraktionsdaten
  • Alle für die Identifizierung des Stoffes erforderlichen quantitativen Analysedaten, z. B. Daten aus der chromatographischen, titrimetrischen oder Elementaranalyse oder Diffraktionsdaten
  • Beschreibung der Analysemethoden oder Angabe der bibliografischen Daten, die für die Identifizierung des Stoffes erforderlich sind (einschließlich Identifizierung und Quantifizierung seiner Bestandteile und gegebenenfalls der Verunreinigungen und Zusatzstoffe). Die Beschreibung besteht aus den zugrunde liegenden Versuchsprotokollen und der entsprechenden Auswertung der unter den Nummern 2.3.1 bis 2.3.6 genannten Ergebnisse. Die Angaben müssen die Reproduktion der Methoden ermöglichen.

Die Verpflichtung gilt unmittelbar und ohne weitergehende Übergangsfirst. Es ist allerdings zu beachten, dass die Verpflichtung nicht für nachgeschaltete gewerbliche Anwender gilt. Auch reine Händler sind nicht betroffen, da diese nach Art. 3 Nr. 13 REACH gerade nicht vom Begriff des „nachgeschalteten Anwenders“ erfasst werden. Spezifische Informationsersuchen im Rahmen von allgemeinen Marktüberwachungsmaßnahmen im Einzel- oder Onlinehandel dürften daher nicht zu erwarten sein.

Zudem reduziert sich die Relevanz der entsprechenden Auskunftspflicht selbst auf Ebene der nachgeschalteten Anwender. Liegen die Informationen dort nicht vor, so haben diese die Information lediglich innerhalb von sieben Tagen nach Eingang des Ersuchens bei ihrem Lieferanten anzufordern und die Behörde unverzüglich darüber zu unterrichten. Die Verpflichtung des Lieferanten erschöpft sich in diesem Fall in der Anfrage beim Lieferanten. Letzter hat sodann die angeforderten Informationen innerhalb von 30 Tagen direkt an die zuständige Behörde, die die Informationen angefordert hat, zu übermitteln oder aber an den nachgeschalteten industriellen Anwender weiterzugeben, der diese sodann unverzüglich an die zuständigen Behörden weiterzuleiten hat. Umgekehrt hat die Behörde, soweit sie die Informationen direkt erhält, den nachgeschalteten industriellen Anwender zu informieren.

G. Fazit und Ausblick

Die Beschränkung von synthetischen Polymermikropartikeln zeichnet sich aufgrund der Regelungssystematik – generelles Verbot mit spezifischen, mehrschichtigen Ausnahme- und Übergangsregelungen – durch eine hohe Komplexität aus. Es steht zu erwarten, dass diese Vorgehensweise in Zukunft bei einer Vielzahl weiterer Beschränkungen gewählt wird, wie z.B. der Vorschlag zur Beschränkung von PFAS anschaulich unterstreicht.

Für zahlreiche Produkte mit synthetischen Polymermikropartikeln bietet die Beschränkung Ausnahmen oder längere Übergangsregelungen. Trotz des grundsätzlich unmittelbaren Anwendungsbeginns werden daher Produkte mit „Mikroplastik“ nicht unmittelbar aus dem Markt entfernt. Es steht aber zu erwarten, dass der konkrete Handlungsdruck auch und gerade im Zusammenhang mit ergänzenden Informations- und Berichtspflichten selbst weiterhin gestattete Verwendungen zunehmend unattraktiv machen wird und in zahlreichen Branchen und Lieferketten die Verfügbarkeit entsprechender Produkte auch schon vor dem Auslaufen von Übergangszeiträumen eingeschränkt sein wird. 

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23. Oktober 2023 Martin Ahlhaus

Neue Stoffverbote und -beschränkungen im Kosmetikrecht

Obwohl die bereits letztes Jahr angekündigte, umfassende Überarbeitung der EU-Kosmetikverordnung inzwischen wohl auf das Jahr 2025 verschoben sein dürfte, stehen die Entwicklungen insbesondere zu verbotenen und beschränkten Inhaltsstoffen in kosmetischen Mitteln nicht still.

Derzeit stehen die durch die medial viel beachtete Verordnung (EU) 2023/2055 der Kommission vom 25. September 2023 zur Änderung von Anhang XVII der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH) hinsichtlich synthetischer Polymermikropartikel eingeführten, zahlreichen Stoffbeschränkungen in Bezug auf Mikroplastik im Fokus. Die Änderungen betreffen zwar die Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH-VO), werden jedoch auch für kosmetische Mittel – zum Teil bereits ab dem 17.10.2023 – gelten (dazu werden wir zeitnah einen separaten Blog-Beitrag veröffentlichen). Dies ist darauf zurückzuführen, dass Stoffbeschränkungen für kosmetische Mittel, die auf der Grundlage der Verordnung (EG) 1223/2009 (KosmetikVO) erfolgen, ausschließlich auf den Schutz der menschlichen Gesundheit abzielen. Daher können und müssen Stoffe in kosmetischen Mitteln, die zugleich zu Umweltgefährdungen führen, ebenfalls beschränkt werden. Diese Beschränkungen erfolgen daher über das Instrumentarium der REACH-VO. Somit sind stets beide Rechtsregime im Hinblick auf anwendbare Stoffbeschränkungen zu beachten.

Neben den genannten Stoffbeschränkungen unter der REACH-VO sollten Betroffene jedoch auch weitere Neuerungen im Kosmetikrecht im Blick behalten. Dieser Beitrag stellt daher die letzten Änderungen der KosmetikVO durch die Verordnung (EU) 2023/1490 in Bezug auf CMR-Stoffe (dazu unter I.) und durch die Verordnung (EU) 2023/1545 in Bezug auf allergieauslösende Duftstoffe (dazu unter II.) vor.

I. Verordnung (EU) 2023/1490 – Einführung neuer CMR-Stoffe

Die Verordnung (EU) 2023/1490 dient der Wahrung der Rechtssicherheit durch die kosmetikrechtliche Übernahme von Einstufungsentscheidungen nach der CLP-Verordnung.

1. Einordnung der VO innerhalb der europäischen Regelungsarchitektur für gefährliche Stoffe

Die Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (CLP-VO) legt einheitliche Anforderungen für die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von chemischen Stoffen und Gemischen gemäß dem Global Harmonisierten System der Vereinten Nationen (GHS) fest. Nach ihrem Erwägungsgrund (1) soll die CLP-VO ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und für die Umwelt sicherstellen, den freien Verkehr von chemischen Stoffen, Gemischen und bestimmten spezifischen Erzeugnissen gewährleisten und gleichzeitig Wettbewerbsfähigkeit und Innovation verbessern.

Zu diesem Zwecke sieht die CLP-VO im Teil 3 ihres Anhang VI eine harmonisierte Einstufung von Stoffen als karzinogen, mutagen und/oder reproduktionstoxisch (CMR) auf der Grundlage einer wissenschaftlichen Bewertung durch den Ausschuss für Risikobeurteilung (RAC) der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) vor. Die Stoffe werden entsprechend dem Evidenzgrad ihrer CMR-Eigenschaften als CMR-Stoff der Kategorie 1A (Stoffe, die bekanntermaßen karzinogen, mutagen, reproduktionstoxisch sind), der Kategorie 1B (Stoffe, die wahrscheinlich karzinogen, mutagen, reproduktionstoxisch sind) oder der Kategorie 2 (Stoffe, bei denen ein Verdacht besteht, dass sie karzinogen, mutagen, reproduktionstoxisch sind) eingestuft.

Zwar sind kosmetische Mittel im Sinne der KosmetikVO gemäß Art. 1 Abs. 5 lit. c) CLP-VO ausdrücklich vom Anwendungsbereich der CLP-VO ausgenommen. Allerdings nimmt Art. 15 Abs. 1, 2 KosmetikVO seinerseits Bezug auf die CLP-VO. Nach dieser Vorschrift ist die Verwendung von Stoffen, die gemäß Teil 3 des Anhangs VI der CLP-VO als CMR-Stoffe der Kategorie 2 sowie der Kategorien 1A oder 1B eingestuft sind, in kosmetischen Mitteln grundsätzlich verboten.

Die Europäische Kommission stuft im Rahmen der CLP-VO regelmäßig neue CMR-Stoffe ein, die anschließend mit Hilfe von Verordnungen zur Änderung der Kosmetik-VO in Anhang II der KosmetikVO überführt werden. Damit soll trotz der Bereichsausnahme der CLP-VO für kosmetische Mittel ein regulatorischer Gleichlauf hinsichtlich der Auflistung von CMR-Stoffen im Sinne einer größeren Rechtssicherheit hergestellt werden.

2. Grundlage und Inhalt der Verordnung (EU) 2023/1490

Mit der Verordnung (EU) 2023/1490, auch „CMR-Omnibus-Verordnung“ genannt, wird die KosmetikVO im Anschluss an Einstufungsentscheidungen nach der CLP-VO geändert, indem neue CMR-Stoffe aufgenommen werden, deren Verwendung in kosmetischen Mitteln verboten wird. Die mit der Verordnung (EU) 2023/1490 eingeführten Änderungen der KosmetikVO gelten ab dem 01.12.2023.

Zurückzuführen ist diese Änderung der KosmetikVO auf die Delegierte Verordnung (EU) 2022/692 vom 16.02.2022 zur Änderung der CLP-Verordnung zum Zwecke der Anpassung an den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt, die am 03.05.2023 im Amtsblatt der EU veröffentlicht wurde. Die Delegierte Verordnung erweitert die in Anhang VI der CLP-VO enthaltene Liste um insgesamt 39 neue harmonisierte CMR-Stoffe, ändert die Einstufung von 17 bereits im Anhang VI enthaltenen CMR-Stoffen und streicht einen in der Liste enthaltenen CMR-Stoff.

Nach Erwägungsgrund (7) der Verordnung (EU) 2023/1490 war bislang keiner dieser neu eingestuften CMR-Stoffe in der Liste der in kosmetischen Mitteln verbotenen Stoffe nach Anhang II der KosmetikVO aufgeführt. Allein der Stoff 2- Ethylhexansäure (CAS-Nr. 149-57-5) ist in Anhang II aufgeführt – allerdings sind die Salze dieses Stoffes, die durch die Delegierte Verordnung (EU) 2022/692 nun ebenfalls als CMR-Stoff der Kategorie 1B eingestuft werden, nicht in diesem Eintrag enthalten. Damit das Verbot von CMR-Stoffen im Binnenmarkt einheitlich umgesetzt, für Rechtssicherheit gesorgt und ein hohes Schutzniveau für die menschlichen Gesundheit sichergestellt wird, sollen diese Änderungen daher durch die Verordnung (EU) 2023/1490 in den Anhang II der Kosmetik-VO übertragen werden. Die Verordnung (EU) 2023/1490 ändert die KosmetikVO folglich dahingehend, dass insgesamt 30 der 39 neu eingestuften CMR-Stoffe und die Salze des Stoffes 2-Ethylhexansäure (im schon bestehenden Eintrag 1024) in Anhang II der KosmetikVO aufgenommen werden.

Die in der Praxis wohl relevantesten Neuaufnahmen betreffen die Inhaltsstoffe Benzophenon (CAS-Nr. 119-61-9) und Pentasodium Pentetate (CAS-Nr. 140-01-2). Insbesondere Benzophenon ist regelmäßig in Cremes, Shampoos, Parfüms und in Seifen zu finden. Die Hersteller der betroffenen kosmetischen Mittel werden daher spätestens ab dem 01.12.2023 jeweils eine geänderte Formulierung verwenden müssen.

II. Verordnung (EU) 2023/1545 – Erweiterte Kennzeichnungspflichten allergieauslösender Duftstoffe

Die Verordnung (EU) 2023/1545 zur Änderung der KosmetikVO hinsichtlich der Kennzeichnung allergieauslösender Duftstoffe in kosmetischen Mitteln wurde am 26.07.2023 erlassen und gilt seit dem 15.08.2023.

1. Regelungsziel der VO

Ausweislich ihres Erwägungsgrundes (3) ist Ziel der Verordnung, die gesamte Bevölkerung vor der Entwicklung von Duftstoffallergien im Allgemeinen (Primärprävention) und Personen, die bereits gegenüber einem Allergen sensibilisiert sind, vor dem Auftreten von Allergiesymptomen im Besonderen (Sekundärprävention) zu schützen.

Zur Erreichung des Ziels sieht Erwägungsgrund (4) der Verordnung Folgendes vor: Zur Primärprävention erachtet die Europäische Kommission eine Beschränkung allergieauslösender Duftstoffe unter Umständen als ausreichend. Bei sensibilisierten Personen können jedoch auch dann Symptome auftreten, wenn sie Allergenen in einer Konzentration ausgesetzt sind, die unter den zulässigen Höchstwerten liegt. Daher ist es der Kommission zufolge im Rahmen der Sekundärprävention wichtig, Informationen über das Vorhandensein einzelner allergieauslösender Duftstoffe in kosmetischen Mitteln bereitzustellen, damit sensibilisierte Personen den Kontakt mit dem Stoff, auf den sie allergisch reagieren, vermeiden können.

2. Hintergrund und Inhalt der Verordnung (EU) 2023/1545

Art. 19 Abs. 1 lit. g) Kosmetik-VO sieht bereits entsprechende Informationspflichten vor. Danach darf ein kosmetisches Mittel nur auf dem Markt bereitgestellt werden, wenn eine Liste der Bestandteile auf seiner Verpackung erscheint. Die Vorschrift stellt ferner klar, dass auch Riech- und Aromastoffe und ihre Ausgangsstoffe mit den Begriffen „Parfum“ oder „Aroma“ als Bestandteile anzugeben sind. Zusätzlich zu den Begriffen „Parfüm“ oder „Aroma“ ist auch das Vorhandensein von Stoffen anzugeben, die gemäß der Spalte „Sonstige“ in Anhang III KosmetikVO auf der Verpackung aufgeführt werden müssen. Derzeit sind 24 allergieauslösende Duftstoffe, die in den Einträgen 45 und 67 bis 92 des Anhangs III der KosmetikVO aufgeführt sind, in der Liste der Bestandteile anzugeben.

Bereits im Juni 2012 bestätigte der Wissenschaftliche Ausschuss „Verbrauchersicherheit“ (SCCS) auf Ersuchen der Kommission, dass die in den genannten Einträgen des Anhangs III der KosmetikVO aufgeführten allergieauslösenden Duftstoffe nach wie vor relevant sind. Darüber hinaus wurden 56 weitere allergieauslösende Duftstoffe ermittelt, die beim Menschen eindeutig Allergien verursacht haben und die derzeit unter der KosmetikVO nicht einzeln gekennzeichnet werden müssen (vgl. Erwägungsgrund [6] der Verordnung).

Die Europäische Kommission nimmt nunmehr die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Ausschusses „Verbrauchersicherheit“ (SCCS) zum Anlass, um den Anhang III der KosmetikVO – entsprechend den wissenschaftlichen Erkenntnissen – um diese 56 allergieauslösende Duftstoffe zu erweitern. Daher ist nun mit der Verordnung (EU) 2023/1545 in Anhang III der KosmetikVO eine Verpflichtung aufgenommen worden, diese allergieauslösenden Duftstoffe einzeln zu kennzeichnen, wenn sie in einer Konzentration von mehr als 0,001 % in Mitteln, die auf der Haut/in den Haaren verbleiben, und von mehr als 0,01 % in auszuspülenden/abzuspülenden Mitteln vorhanden sind.

Im Zuge der Aktualisierung dieser Liste wurden auch bereits bestehende Einträge zu allergieauslösenden Duftstoffen aus Gründen der Kohärenz und Klarheit begrifflich und strukturell überarbeitet. So wurden nach Erwägungsgrund (8) der Verordnung (EU) 2023/1545 gemeinsame Bezeichnungen der Stoffe an die letzte Fassung des Glossars auf Basis von Art. 33 KosmetikVO (Durchführungsbeschluss (EU) 2022/677 der Kommission vom 31. März 2022 zur Festlegung von Vorschriften zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich des Glossars der gemeinsamen Bezeichnungen von Bestandteilen zur Verwendung bei der Kennzeichnung kosmetischer Mittel) angeglichen und ähnliche Stoffe in gemeinsamen Einträgen zusammengefasst.

3. Übergangsfristen

Die Aktualisierung der Liste allergieauslösender Duftstoffe führt dazu, dass Einträge in Anhang III der KosmetikVO durch eine Kombination bestehender und neuer Beschränkungen erstellt werden. Aus diesem Grund sieht die Verordnung (EU) 2023/1545 Übergangsfristen für Wirtschaftsakteure vor, damit diese neben der Anwendung der bereits bestehenden Beschränkungen ausreichend Zeit haben, um die neuen Beschränkungen einzuhalten und in der Kennzeichnung umzusetzen.

Die Übergangsfristen sind dabei nach der Fußnote „(*)“ zum Anhang der Verordnung (EU) 2023/1545 wie folgt ausgestaltet:

  • Kosmetische Mittel, die die betreffenden Stoffe enthalten und bei denen die Beschränkung/en nicht eingehalten wird/werden, dürfen bis zum 31.07.2026 in der Union in Verkehr gebracht und bis zum 31.07.2028 auf dem Unionsmarkt bereitgestellt werden.
  • Damit wird den Wirtschaftsakteure ab dem 31.07.2026 eine angemessene Frist von zwei Jahren eingeräumt, um kosmetische Mittel, die den neuen Anforderungen nicht entsprechen, die aber vor dem Geltungsbeginn der neuen Kennzeichnungsvorschriften in Verkehr gebracht wurden, vom Markt zu nehmen, falls sie nicht in dieser Zeit abverkauft werden.

III. Ausblick – Konsequenzen für die Wirtschaftsakteure

Aufgrund der aktuellen Änderungen sowohl der KosmetikVO selbst als auch der REACH-VO werden insbesondere alle Hersteller und Importeure in der Rolle als verantwortliche Personen von kosmetischen Mitteln prüfen müssen, ob diese ab dem jeweiligen Geltungsbeginn der neuen Vorgaben weiterhin ohne Anpassungen verkehrsfähig sind. Andernfalls sollte die Umformulierung und die möglicherweise erforderliche Anpassung der Kennzeichnung mit ausreichendem Vorlauf entsprechend der jeweiligen Übergangsfrist geplant werden. Dies gilt umso mehr für Private-Label-Hersteller, die für die Abstimmung mit ihren jeweiligen Auftragsfertigern noch mehr Zeit einplanen müssen.

Haben Sie hierzu Fragen oder wollen Sie mit dem Autor über die News diskutieren? Kontaktieren Sie gerne: Dr. Zeynep Schreitmüller oder  Michael Öttinger

16. Oktober 2023 Dr. Zeynep Schreitmüller