Nachdem die EU-Kommission im Februar 2025 die OMNIBUS-Pakete I und II vorgestellt hatte (wir haben berichtet: OMNIBUS-Initiative und mögliche Anpassungen des LkSG), schiebt sie im Mai 2025 die Pakete III und IV nach. Die neuen Pakete stehen ganz unter der Überschrift der „Vereinfachung“. Während das Paket III die Gemeinsame Agrarpolitik in den Blick nimmt und in diesem Beitrag mangels produktrechtlicher Relevanz außer Betracht bleibt, schlägt das Paket IV eine neue Kategorie von Unternehmen sowie darauf bezogene Erleichterungen vor. Zudem möchte die EU-Kommission die Erfüllung produktbezogener Pflichten digitalisieren. Zwar nicht als Teil der OMNIBUS-Initiative, aber nicht minder prominent hat die EU-Kommission Mitte April eine überarbeitete Version der Guidelines und FAQs zur Entwaldungsverordnung veröffentlicht. Dazu gesellte sich am 20.05.2025 das lang erwartete „Länder Benchmarking“, welches den Ursprungsländern der von der EUDR erfassten Rohstoffe ein Entwaldungsrisiko zuordnet.
Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick über die beabsichtigten Änderungen im Zuge des OMNIBUS IV-Pakets (dazu unter A.), erläutert die Implikationen der Updates zur EUDR (dazu unter B.) und zieht im Anschluss ein Zwischenfazit zum Vorgehen der EU-Kommission nach den ersten vier OMNIBUS-Paketen (dazu unter C.).
A. OMNIBUS IV-Paket
Das OMNIBUS IV-Paket umfasst insgesamt fünf Änderungsentwürfe:
- COM(2025) 501 final
- COM(2025) 502 final (ohne produktrechtliche Relevanz)
- COM(2025) 503 final
- COM(2025) 504 final
- COM(2025) 258 final
Neben Änderungsentwürfen für eine Vielzahl von Verordnungen und Richtlinien unterbreitet die EU-Kommission mit der Empfehlung C(2025)3500 einen Vorschlag für die Definition von „small mid-cap enterprises“ (SMC).
SMCs sollen nach der Empfehlung solche sein, die
- keine kleinen und mittleren Unternehmen gemäß der Empfehlung 2003/361/EG sind,
- weniger als 750 Personen beschäftigen und
- einen Jahresumsatz von höchstens EUR 150 Mio. oder eine Jahresbilanzsumme von höchstens EUR 129 Mio. haben.
Die EU-Kommission beabsichtigt durch die Einführung von SMCs eine größere Anzahl an Wirtschaftsakteuren von regulatorischen Pflichten zu befreien. Vor diesem Hintergrund sollen SMCs für eine Reihe von Rechtsakten zukünftig ähnlichen oder gar denselben Erleichterungen unterliegen wie die kleinen und mittleren Unternehmen („KMU“ bzw. engl. SME).
Im Folgenden werden die vorgeschlagenen Änderungen an produktrechtlich relevanten Verordnungen und Richtlinien entlang einzelner Rechtsakte oder Gruppen von Rechtsakten skizziert.
I. EU-Batterieverordnung (VO (EU) 2023/1542)
Änderungen der Batterieverordnung (BattVO) sind in den Änderungsentwürfen COM(2025) 501 final, COM(2025) 504 final und COM (2025) 258 final vorgesehen. Diese sind im Einzelnen:
- Verschiebung des Anwendungsbeginns: Die EU-Kommission schlägt eine Änderung des Art. 48 Abs. 1 BattVO vor. Demnach sollen die nach Art. 48 Abs. 2, 3 sowie den Art. 49, 50, 52 BattVO festgelegten Sorgfaltspflichten erst am dem 18.08.2027 und damit zwei Jahre später als bisher vorgesehen gelten.
- Erleichterungen für SMCs: Die Ausnahme von KMUs von den Sorgfaltspflichten nach Art. 47 BattVO soll auf SMCs erweitert werden.
- Reduzierte Veröffentlichungspflichten: Wirtschaftsakteure, die nach den Art. 47 ff. BattVO zur Erfüllung von Sorgfaltspflichten verpflichtet sind, sollen zukünftig nur noch alle drei Jahre ihre Strategie überprüfen und im Internet veröffentlichen müssen. anstatt bisher jährlich (Änderung des Art. 52 Abs. 3 BattVO).
- Verpflichtende Online-Kommunikation: Die Bereitstellung bestimmter Informationen und der Kontakt mit den Behörden soll zukünftig digital stattfinden. Da diese Änderungen für eine Vielzahl von Verordnungen und Richtlinien gelten, wird dies unten unter B.III. im Detail vorgestellt.
II. Verordnung über fluorierte Treibhausgase (VO (EU) 2024/573)
Änderungen an der Verordnung über fluorierte Treibhausgase (F-Gas-VO) sind im Änderungsentwurf COM(2025)501 final vorgesehen. Für einen Im- oder Export von Erzeugnissen und Einrichtungen, die fluorierte Treibhausgase enthalten, ist derzeit eine Registrierung im F-Gas-Portal nach Art. 20 F-Gas-VO notwendig. Dies gilt unabhängig davon, ob die Erzeugnisse und Einrichtungen in der Folge weiteren Verpflichtungen oder Beschränkungen nach der F-Gas-VO unterliegen, was einen hohen Verwaltungsaufwand zur bloßen Erfüllung der weitreichenden Registrierungspflicht bedeutet. Aus diesem Grund will die EU-Kommission die Registrierung als Voraussetzungen für den Im- und Export auf die folgenden Fälle beschränken:
- Im- und Export von fluorierten Treibhausgasen
- Inverkehrbringen von Erzeugnissen und Einrichtungen welche nach Art. 26 F-Gas-VO gemeldet werden müssen
- Export von Erzeugnissen und Einrichtungen gemäß Art. 22 Abs. 3 F-Gas-VO, deren Funktion von fluorierten Treibhausgasen mit einem Treibhauspotential von ≥1000 abhängt, ab dem Verbotsdatum nach Anhang IV F-Gas-VO.
Die Änderungen führen laut der EU-Kommission dazu, dass viele KMU und SMCs zukünftig nicht mehr von der Registrierungspflicht nach Art. 20 F-Gas-VO im erfasst wären.
III. Änderungen verschiedener produktbezogener Rechtsakte
Mit dem Änderungsvorschlag COM(2025) 503 final, der sich auf verschiedene Richtlinien, und dem Änderungsvorschlag COM(2025) 504 final, der sich wiederum auf verschiedene Verordnungen bezieht, schlägt die EU-Kommission eine Reihe von Digitalisierungsmaßnahmen vor. Erfasst wird insbesondere das Zurverfügungstellen bestimmter produktbezogener Informationen und der Austausch mit den zuständigen Behörden. Folgende Rechtsakte sind betroffen:
- RoHS-Richtlinie (Richtlinie (2011/65/EU)
- Richtlinie über elektromagnetische Verträglichkeit (Richtlinie 2014/30/EU)
- Niederspannungsrichtlinie (Richtlinie 2014/35/EU)
- Funkanlagenrichtlinie (Richtlinie 2014/53/EU)
- Druckgeräterichtlinie (Richtlinie 2014/68/EU)
- Batterieverordnung (Verordnung (EU) 2023/1542)
- Ökodesignverordnung (Verordnung (EU) 2024/1781)
Vorgeschlagen sind folgende Anpassungen:
- Wenn eine EU-Konformitätserklärung oder ein ähnliches Dokument einem Produkt beigefügt sein muss, muss dieses zukünftig in elektronischem Format erstellt und über eine Internetadresse oder einen maschinenlesbaren Code zur Verfügung gestellt werden.
- Jeder Hersteller muss auf Produkten, die in den Verkehr gebracht werden, einen „digitalen Kontakt“ zur Verfügung stellen. Eine entsprechende Pflicht zur Angabe einer elektronischen Adresse gibt es seit dem 13.12.2024 bei den nicht-harmonisierten Verbraucherprodukten (ohne „CE“). Verankert ist diese erweiterte Kennzeichnungspflicht in Art. 9 Abs. 6 VO (EU) 2023/988 (sog. EU-Produktsicherheitsverordnung bzw. GPSR), d.h. bei den Herstellerpflichten. Elektronische Adressen sind freilich auch bei weiteren Kennzeichnungspflichten in der GPSR implementiert worden. Darüber hinaus soll zukünftig eine verpflichtende digitale Kommunikation zwischen den Wirtschaftsakteuren einerseits und den nationalen Behörden andererseits erfolgen. Sobald das „European Business Wallet“ zur Verfügung steht, stellt die dortige digitale Adresse den „digitalen Kontakt“ dar.
- Bedienungsanleitungen für Produkte können – mit Ausnahme von Sicherheitshinweisen – zukünftig auch ausschließlich digital zur Verfügung gestellt.
- Berichtspflichten gegenüber nationalen Behörden, die bisher auch analog erfüllt werden konnten, sollen zukünftig nur noch digital erfüllt werden dürfen.
- Zukünftig sollen vermehrt allgemeine Spezifikationen anstelle von harmonisierten Normen zur Anwendung kommen.
- Es soll eine Verpflichtung eingeführt werden, Informationen aus der EU-Konformitätserklärung auf dem digitalen Produktpass (DPP) zu hinterlegen, wenn ein DPP nach einer anderen Vorschrift vorgeschrieben ist.
Wie aufgezeigt, sind die vorgeschlagenen Änderungen durch das OMNIBUS IV-Paket umfassend. Spannend wird zu beobachten sein, inwieweit die Vorschläge zur Digitalisierung Zuspruch finden und einen Übergang zum „European Business Wallet“ vorbereiten können. Betroffene Unternehmen sollten zudem besonders aufmerksam sein, da einige Rechtsakte wie die Batterieverordnung in mehreren Änderungsentwürfen behandelt werden und dementsprechend Gegenstand verschiedener Gesetzgebungsverfahren sind.
B. Update zur EU-Entwaldungsverordnung (VO (EU) 2023/1115)
Nach Art. 29 VO (EU) 2023/1115 (EUDR) soll die EU-Kommission eine Risikobewertung von Ländern oder Landesteilen vornehmen. Die Bewertung bezieht sich auf das Risiko, dass ein relevantes Erzeugnis nach Anhang I der EUDR aus dem jeweiligen Gebiet gegen das Verbot der Entwaldung nach Art. 3 Buchst. a) EUDR verstößt. Dabei wird zwischen den drei Kategorien
- hohes Risiko
- normales Risiko
- geringes Risiko
unterschieden. Die Einstufung eines Landes oder von Landesteilen hat in zweierlei Hinsicht eine Auswirkung. Zum einen gelten nach Art. 13 EUDR im Falle eines geringen Risikos verringerte Sorgfaltspflichten für Marktteilnehmer (Art. 2 Nr. 15 EUDR) und Händler (Art. 2 Nr. 17 EUDR). Vorbehaltlich einer Bewertung des Risikos einer Umgehung der Verordnung müssen dann die Pflichten nach Art. 10 EUDR (Risikobewertung) und Art. 11 EUDR (Risikominderung) nicht erfüllt werden. Dies bedeutet jedoch im Umkehrschluss, dass die Verpflichtungen zur Informationsbeschaffung nach Art. 9 EUDR und insbesondere zur Erstellung und Einreichung einer Sorgfaltspflichterklärung auch im Falle eines ausnahmslos geringen Risikos bestehen bleiben. Zum anderen ist die Kontrolldichte durch die zuständigen Behörden von der Einstufung abhängig. Während im Falle eines hohen Risikos 9 % der Marktteilnehmer, die relevante Erzeugnisse in den Verkehr bringen oder auf dem Markt bereitstellen, pro Jahr kontrolliert werden müssen, sind es im Falle eines normalen und geringen Risikos 3% bzw. 1 % der Marktteilnehmer, vgl. Art. 16 Abs. 8-10 EUDR.
Die lang erwartete Kategorisierung durch die Durchführungsverordnung (EU) 2025/1093 bewertet nun vier Länder mit einem hohen Risiko (Belarus, Myanmar, Nordkorea und Russland) und 140 Länder (darunter alle 27 EU-Mitgliedstaaten) mit einem geringen Risiko. Diese Einteilung sorgt teils für Kritik, da die Schwelle für die Annahme eines hohen Risikos sehr weit oben angesetzt wurde. Dies steht im Widerspruch zu vielen Berichten über Entwaldung in Ländern wie Brasilien, Indonesien oder der demokratischen Republik Kongo, die weiterhin „nur“ mit einem normalen Risiko geführt werden, da alle nicht gelisteten Länder automatisch der Kategorie „normales Risiko“ unterfallen. Die Liste soll nach Art. 29 Abs. 2 EUDR jedoch laufend überprüft und bei Bedarf angepasst werden.
Neben dem Länder-Benchmarking hat die EU-Kommission die Leitlinien zur EUDR und die FAQs erneut aktualisiert. Dabei sind insbesondere folgende Aktualisierungen hervorzuheben:
- Verpackungen aus Holz oder Papier, die relevante Erzeugnisse nach Anhang I der EUDR darstellen, sind dann nicht von der EUDR umfasst, wenn sie lediglich dazu genutzt werden, ein anderes Produkt zu stützen oder zu schützen. Sie fungieren dann überwiegend als Verpackung. Sie unterfallen ausnahmsweise jedoch dann der EUDR, wenn ihre Stütz- und Schutzfunktion dem anderen Produkt erst seinen wesentlichen Charakter verleiht und damit nicht mehr als reine Verpackung klassifiziert werden können, vgl. Nr. 2.5 FAQ.
- Marktteilnehmer können nach Art. 4 Abs. 9 EUDR bei der Abgabe ihrer Sorgfaltserklärung auf die Referenznummern von Sorgfaltserklärungen verweisen, die andere Marktteilnehmer in Bezug auf das relevante Erzeugnis bereits an das Informationssystem übermittelt haben. Dies setzt eine Überprüfung der vorher abgegebenen Erklärungen voraus. Die Überprüfungspflicht wurde nun dahingehend konkretisiert, dass sie sich auf die Überprüfung der Validität der jeweiligen Referenznummern bezieht, vgl. Nr. 3.4 FAQ. Tiefergehende „Feststellungen“ sind nicht zu treffen. Diese können im Einzelfall dennoch sinnvoll sein, da eine Verantwortlichkeit für die Einhaltung der Voraussetzungen nach Art. 3 EUDR weiterhin besteht, vgl. Art. 4 Abs. 10 EUDR.
- Mitglieder einer Unternehmensgruppe können eines ihrer Mitglieder dazu bevollmächtigen, die Sorgfaltserklärungen für alle Mitglieder der Gruppe abzugeben. Zwar bleibt jedes Mitglied einer Unternehmensgruppe selbst unter der Verordnung verpflichtet; die Abgabe der Sorgfaltserklärung kann aber nun gebündelt werden, vgl. Nr. 3.13 FAQ.
- Eine einzelne Sorgfaltserklärung kann nach Art. 4 Abs. 2 EUDR eine Vielzahl von Chargen und relevanten Erzeugnissen im Voraus abdecken. Sie sollte sinnvollerweise Chargen für den Zeitraum von einem Jahr nicht überschreiten und nur Erzeugnisse enthalten, die zum Zeitpunkt der Abgabe bereits existieren. Je nach Lieferkette und Erzeugnis kann es jedoch sinnvoll sein, mehrere Sorgfaltspflichtenerklärungen abzugeben, um sicherzustellen, dass alle in den Verkehr gebrachten Produkte auch tatsächlich von einer Erklärung erfasst sind, vgl. Nr. 5.19 FAQ.
Neben der EU-Kommission hat auch das Bundesamt für Landwirtschaft und Ernährung am 14.05.2025 FAQs veröffentlicht, welche einige Sachverhalte präzisieren und insbesondere von deutschen Unternehmen herangezogen werden sollten.
Zwischenfazit zu derzeitigen EU-Gesetzgebungsverfahren
Das derzeitige Tempo der EU-Kommission, neue Gesetzgebungsverfahren anzustoßen, mag zwar vom Wunsch geleitet sein, Handlungsfähigkeit in Krisen zu demonstrieren. Wenn dabei aber die Qualität teils auf der Strecke bleibt und Rechtsunsicherheit für die betroffenen Unternehmen geschaffen wird, gelingt diese Demonstration bedauerlicherweise nicht. Das Dilemma manifestiert sich ganz besonders in kurzfristigen Verschiebungen des Anwendungsbeginns von Rechtsakten, beispielsweise der EUDR Ende 2024, und nun der Sorgfaltspflichten im Rahmen der Batterieverordnung. Auch wenn die Intention dahinter ein Schutz der Unternehmen vor Überforderung sein soll, vermitteln solche Aktionen eher den Eindruck einer überforderten EU, die es nicht schafft, von Beginn an klare Regelungen und entsprechende Guidelines zur Verfügung zu stellen. Dies schadet dem Image einer europäischen Rechtsgemeinschaft, in der Rechtssicherheit und -klarheit herrschen sollen. Vor diesem Hintergrund kann nur an den Gesetzgeber appelliert werden, Unternehmen stärker bei der Umsetzung des verabschiedeten Rechts zu unterstützen als überstürzt vermeintliche Vereinfachungen „durchzudrücken“.
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