Marktüberwachungsgesetz verabschiedet

Neues Marktüberwachungsgesetz verabschiedet

Bundestag und Bundesrat haben sich nunmehr auf ein Marktüberwachungsgesetz (MüG) verständigt, das die Marktüberwachung im Non-Food-Bereich regelt. Das MüG dient der Durchführung der neuen EU-Marktüberwachungsverordnung (Verordnung (EU) 2019/1020) und überführt das im bisherigen ProdSG geregelte Marktüberwachungsrecht in ein eigenes Gesetz.

In Anlehnung an die EU-Marktüberwachungsverordnung verfolgt das MüG insbesondere das Ziel, den Zugriff der Marktüberwachungsbehörden auf online vertriebene Produkte und auf die dahinterstehenden Wirtschaftsakteure wie z.B. die Fulfilment-Dienstleister und Verkaufs- bzw. Onlineplattformen zu verstärken. Das MüG enthält damit erstmalig spezifische Marktüberwachungsbestimmungen in Bezug auf den Online-Handel (§ 3 MüG).

Anwendungsbereich

Das MüG erfasst sowohl den europäisch-harmonisierten als auch den nicht harmonisierten Produktbereich. Zum europäisch-harmonisierten Produktbereich zählen die Produkte, die den in Anhang I der EU-Marktüberwachungsverordnung aufgeführten Rechtsvorschriften unterliegen. Diese Liste enthält zurzeit 70 europäische Verordnungen und Richtlinien (§ 1 Abs. 1 MüG). Zum nicht harmonisierten Produktbereich gehören national geregelte Produkte wie etwa Verbraucherprodukte, die nur der sog. Allgemeinen Produktsicherheitsrichtlinie (RL 2001/95/EG) unterfallen (etwa Möbel oder viele Sportgeräte), sowie europäisch ungeregelte B2B-Produkte (§ 1 Abs. 2 MüG).

Speziellere Marktüberwachungsvorschriften aus sektoralen Produktgesetzen genießen grundsätzlich Anwendungsvorrang vor dem MüG. Die Bestimmung des Anwendungsverhältnisses im Einzelfall dürfte sich freilich mitunter als komplexe Angelegenheit erweisen, da es für jeden Einzelfall gesondert vorzunehmen ist. Angesichts der weitgefächerten und tiefgreifenden Befugnisse des MüG dürfte es jedenfalls regelmäßig ergänzend anwendbar bleiben. Die Ausgestaltung des Anwendungsbereichs des MüG spiegelt dessen Dachfunktion wider; es bildet damit den „Allgemeinen Teil“ des Marktüberwachungsrechts.

Befugnisse und Marktüberwachungsmaßnahmen

Die Befugnisse der zuständigen Behörden und der Verfahrensablauf sind in den §§ 7 f. MüG festgelegt. Diese Vorschriften regeln vergleichsweise wenig selbst, sondern verweisen regelmäßig auf die Befugnisse und Marktüberwachungsmaßnahmen der EU-Marktüberwachungsverordnung in den Artt. 14, 16.

Diese Regelungen vermitteln den Marktüberwachungsbehörden ein breites Spektrum an verschiedenen Instrumenten und Ermächtigungsgrundlagen zur Marktüberwachung. Hierzu zählen die klassischen Auskunfts-, Prüfungs- und Nachschaubefugnisse sowie Standardmaßnahmen zur Abwehr von Produktgefahren. Hervorzuheben sind dabei die neu geschaffenen Befugnisse zu anonymen Testkäufen und zum sog. reverse engineering. Ausdruck für die verstärkte Unterwerfung des Online-Handels unter das Marktüberwachungsregime ist wiederum die Ermächtigung der Marktüberwachungsbehörden, die Entfernung von Inhalten von Verkaufsplattformen zu verlangen, wenn ein ernstes Risiko nicht anderweitig beseitigt werden kann.

Maßnahmenadressaten und Verfahrensablauf

Die Maßnahmen der Marktüberwachungsbehörden können gegen jeden Wirtschaftsakteur und Aussteller gerichtet werden. Unter den Begriff der Wirtschaftsakteure fallen nunmehr insbesondere auch Fulfilment-Dienstleister, sodass diese auch zum Kreis potenzieller Maßnahmenadressaten zählen.

Der Ablauf des Marktüberwachungsverfahrens ist in Anlehnung an die EU-Marktüberwachungsverordnung dreigestuft. Stellt die Behörde die Nichtkonformität oder gar eine Produktgefahr fest (1. Stufe), fordert sie den Wirtschaftsakteur auf, eine Korrekturmaßnahme zu ergreifen (2. Stufe). Erst wenn der Wirtschaftsakteur dieser Aufforderung nicht nachkommt, ordnet sie eine Abhilfemaßnahme mittels eines Verwaltungsakts an (3. Stufe). Verfahrensrechtliche Regelungen folgen im Übrigen aus § 10 Abs. 2 MüG, der auf Art. 18 der EU-Marktüberwachungsverordnung verweist. Danach sind behördliche Maßnahmen unverzüglich bekanntzugeben; sie müssen eine Angabe ihrer Grundlage sowie Rechtsmittelmöglichkeiten und -fristen enthalten. Die Wirtschaftsakteure, die Adressat einer behördlichen Maßnahme werden, verfügen über entsprechende Verfahrensrechte.

Fazit

Mit dem neuen Marktüberwachungsrecht wurde ein Paradigmenwechsel vollzogen. Dies gilt – abgesehen von der Erfassung des Online-Handels und den neuen Befugnissen – insbesondere für die starke EU-rechtliche Durchdringung im Allgemeinen. Denn die Anwendung des MüG ist nur im Zusammenspiel mit der EU-Marktüberwachungsverordnung möglich, da das MüG häufig auf die Regelungen der EU-Marktüberwachungsverordnung verweist. Unter dieser Regelungstechnik leidet die Anwenderfreundlichkeit des MüG erheblich, zumal das Zusammenspiel an einigen Stellen nicht wirklich abgestimmt ist, weil EU-rechtliche und deutschrechtliche Verwaltungsverfahrensdogmatik unversöhnlich „aufeinanderprallen“. Dies wird nicht nur die Marktüberwachungsbehörden vor große Herausforderungen stellen, sondern auch die Wirtschaftsakteur als potenzielle Maßnahmenadressaten beschäftigen. Insbesondere Wirtschaftsakteure, die ihre Produkte vornehmlich online vertreiben, tun gut daran, sich frühzeitig mit dem neuen Marktüberwachungsrecht auseinanderzusetzen. Angesichts der verstärkten Einbeziehung des Online-Handels dürften sie künftig vermehrt in den Fokus der Marktüberwachungsbehörden geraten.

Zur Vertiefung: Schucht, Die neue EU-Marktüberwachungsverordnung. Praxisleitfaden für die Herausforderungen im europäischen Produktsicherheitsrecht, 2021; ders., GewArch 2020, 259 ff.; ders., CB 2020, 194 ff.

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