Recht auf Reparatur

Update zum Recht auf Reparatur

Im laufenden Gesetzgebungsverfahren hat nun das Europäische Parlament Änderungsvorschläge zur Right to Repair-Richtlinie beschlossen. Diese Änderungen würden den Weg für eine deutliche Ausweitung der Reparaturverpflichtung frei machen und für die Verpflichteten spürbare neue Belastungen bedeuten.

Am 21.11.2023 hat das Europäische Parlament seine Änderungsvorschläge zum Entwurf der Richtlinie beschlossen, mit der EU-weit ein Recht auf Reparatur eingeführt werden soll. Wir fassen die wichtigsten Änderungsvorschläge kurz zusammen:

A. Europäisches Right to Repair

Die wohl wichtigste Änderung in diesem Teil des Entwurfs hat unmittelbar noch relativ überschaubare Auswirkungen, könnte in Zukunft jedoch zu einer massiven Ausweitung des Anwendungsbereichs des Rechts auf Reparatur führen. Bisher sollte das Recht auf Reparatur ausschließlich für Produkte gelten, für die Ökodesignanforderungen bestehen, an die auch inhaltlich angeknüpft wurde.

Diese Beschränkung auf Ökodesign-Produktgruppen soll nun ausdrücklich aufgegeben werden. Im Entwurf hat dies bislang nur dazu geführt, Fahrräder in den Anhang II der Richtlinie aufzunehmen, für die so ein Recht auf Reparatur geschaffen werden würde, obwohl jedenfalls einfache Fahrräder keinen Ökodesignanforderungen unterliegen. Perspektivisch könnte der relevante Anhang II aber nach dem neuen Konzept um beliebige Produkte und Produktgruppen erweitert werden, auch wenn diese nicht dem Ökodesignrecht unterfallen. Es ist daher nicht mehr absehbar, für welche Produkte in Zukunft ein Recht auf Reparatur bestehen wird.

Auch der Kreis der zur Reparatur Verpflichteten soll erweitert werden, nämlich um Fulfilment-Dienstleister. Diese soll die Verpflichtung zur Reparatur treffen, wenn es für die Ware weder einen Hersteller innerhalb der EU noch einen Importeur in die EU gibt.

Geblieben ist die Pflicht, die Verbraucher mittels eines Formblatts über die Reparatur und die entstehenden Kosten zu informieren. Informationspflichten sollen nun neben dem Hersteller auch den Verkäufer treffen können. Bisher war zudem vorgesehen, dass der Reparateur die Kosten erstattet verlangen kann, die das Zurverfügungstellen dieser Informationen bei ihm verursacht. Dies soll nun nur noch gelten, wenn eine Untersuchung des konkreten defekten Produkts für die Bestimmung der Reparaturkosten erforderlich ist; in anderen Fällen soll die Information damit offenbar kostenlos erfolgen.

Ferner sollen Hersteller ausdrücklich verpflichtet werden, auf ihrer eigenen Website alle Informationen im Zusammenhang mit Reparaturen bereitzustellen, insbesondere die Preise für Reparaturen und die Preise von Ersatzteilen. Hersteller dürfen eine Reparatur zudem nicht durch vertragliche oder elektronische Mittel behindern. Sie dürfen ferner die Verwendung von Originalersatzteilen, gebrauchten Ersatzteilen, kompatiblen Ersatzteilen oder Ersatzteilen, die mittels 3D-Druck hergestellt wurden, durch unabhängige Reparaturbetriebe nicht behindern, wenn diese den Anforderungen des nationalen Rechts bzw. des Unionsrechts entsprechen.

Die Mitgliedsstaaten wiederum sollen geeignete Maßnahmen ergreifen, um diese Reparaturen zu fördern. Dies umfasst Reparaturgutscheine, nationale Reparaturfonds oder andere Maßnahmen und Anreize. Ferner werden die Sanktionen präzisiert bzw. verschärft. So sollen nun bei grenzüberschreitenden Verstößen die maximal zu verhängenden Bußgelder mindestens 4 Prozent des Jahresumsatzes in den betroffenen Mitgliedsstaaten betragen; wo Informationen zum Umsatz fehlen soll das maximale Bußgeld immerhin EUR 2 Mio. betragen.

Schließlich sollen die Fristen zur Umsetzung der Richtlinie von zwei Jahren auf 18 Monate verkürzt werden.

B. Änderungen im Kaufrecht

Praktisch äußerst bedeutsam und für die Verpflichteten mit erheblichen Folgen verbunden sind auch die neu vorgeschlagenen Änderungen des Kaufrechts (über Modifikationen der Warenkaufrichtlinie (EU) 2019/771). Danach sollen gewerbliche Haltbarkeitsgarantien künftig immer ein Recht auf Reparatur des Kunden beinhalten.

Besonders wichtig ist ein weiterer Änderungsvorschlag: Nach dem Willen des europäischen Parlaments soll sich der Verbraucher als Käufer bezüglich einer vertraglichen Nachbesserung neben seinem Verkäufer auch direkt an den Hersteller halten und diesen auffordern können, das Produkt in einen vertragsgemäßen Zustand zu bringen. Dass das tatsächlich so gemeint ist, zeigt eine andere vorgeschlagene Gesetzesänderung mit folgendem Wortlaut: „Entscheidet der Verbraucher gemäß Artikel 13 Absatz 3a, dass der Hersteller den vertragsgemäßen Zustand der Waren durch Nachbesserung herzustellen hat, so ist der Hersteller für die Zwecke dieses Artikels als Verkäufer zu betrachten.“ Mit anderen Worten soll nun allen Ernstes im Kaufgewährleistungsrecht der Hersteller des Produkts, der in den allermeisten Fällen nicht der Vertragspartner des Verbrauchers sein wird, kraft gesetzlicher Fiktion insoweit die entsprechende Verantwortung des Verkäufers übernehmen müssen. Dies würde im Bereich der kaufrechtlichen Nachbesserung gegenüber einem Verbraucher die Relativität der Schuldverhältnisse faktisch aufheben und den Hersteller direkten Gewährleistungsansprüchen des Endkunden aussetzen. Insbesondere da dies für Hersteller praktisch unabsehbare Konsequenzen haben würde und da damit sämtliche Einwendungen in der gesamten Lieferkette (praxisrelevant etwa die Rügeobliegenheiten nach § 377 HGB) abgeschnitten werden würden, bleibt zu hoffen, dass dieser Entwurf so nicht geltendes Recht werden wird.

Durch eine solche Reparatur soll zudem die Frist für die Verjährung der Gewährleistungsansprüche des Verbrauchers um ein Jahr ab Erhalt der reparierten Ware verlängert werden. Immerhin soll diese sehr verbraucherfreundliche Änderung nur einmalig für die erste Reparatur gelten, nicht aber für etwaige weitere Reparaturen.

Darüber hinaus sieht der Entwurf vor, dass der Verkäufer in Abhängigkeit von den Besonderheiten der jeweiligen Produktkategorie, insbesondere ihrer ständigen Verfügbarkeit für den Verbraucher, verpflichtet sein wird, dem Verbraucher für die Dauer der Reparatur unentgeltlich ein Leihgerät zur Verfügung zu stellen, wenn diese nicht binnen einer angemessenen Frist abgeschlossen werden kann. Dies könnte insbesondere bei Produkten wie Mobiltelefonen oder Kraftfahrzeugen zum Tragen kommen und für die Händler einen erheblichen finanziellen und logistischen Mehraufwand bedeuten.

Auf der anderen Seite soll der nach dem Ausgangsentwurf vorgesehene Vorrang der Nachbesserung vor einer Nachlieferung etwas aufgeweicht werden. Dieser Vorrang soll neben einer Unmöglichkeit der Reparatur auch dann gelten, wenn diese mit erheblichen Unannehmlichkeiten für den Verbraucher verbunden ist. In diesen Fällen wird der Verbraucher dann wieder statt einer Reparatur eine Nachlieferung verlangen können.

Fazit

Der Vorschlag des europäischen Parlaments bereitet den Boden dafür, das Recht auf Reparatur über Produktkategorien mit Ökodesignvorgaben künftig auf beliebige andere Produktgruppen auszudehnen; konkret soll das in dem Entwurf bereits für Fahrräder erfolgen. Im Kaufrecht sollen direkte Nachbesserungsansprüche gegen den Hersteller geschaffen werden, auch wenn dieser das Produkt gar nicht an den Verbraucher als Endkunden verkauft hat. Zudem soll die Verjährungsfrist für kaufrechtliche Gewährleistungsansprüche durch eine Reparatur um ein Jahr verlängert werden. Dies würde einen massiven Mehraufwand insbesondere für die betroffenen Hersteller, aber auch für Verkäufer, nach sich ziehen.

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27. November 2023 Dr. Florian Niermeier