Leitfaden für Antragsteller – Tierarzneimittel

Leitfaden für Antragsteller – Tierarzneimittel

Die Europäische Kommission hat am 14.02.2024 einen Leitfaden für Antragsteller im Rahmen von tierarzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahren nach der Verordnung (EU) 2019/6 („Tierarzneimittelverordnung“) im Amtsblatt der EU veröffentlicht.

Dieser Blogbeitrag ordnet den Leitfaden ein und gibt einen Überblick über die wesentlichen Inhalte.

A. Einordnung

Die Tierarzneimittelverordnung hatte 2019 eine Aufspaltung der anwendbaren Rechtsregime des Tierarzneimittelrechts auf der einen und des Humanarzneimittelrechts auf der anderen Seite zur Folge. Inzwischen sind beide Materien nicht mehr einheitlich im Arzneimittelgesetz geregelt, sondern im Bereich der Tierarzneimittel gilt neben der unmittelbar anwendbaren Tierarzneimittelverordnung das Gesetz über den Verkehr mit Tierarzneimitteln und zur Durchführung unionsrechtlicher Vorschriften betreffend Tierarzneimittel (Tierarzneimittelgesetz – TAMG). Damit einher gehen auch neue rechtliche Bestimmungen für die Zulassung von Tierarzneimitteln, auf die sich Entwickler, Hersteller und Vertreiber von Tierarzneimitteln einstellen mussten.

Um deren Anwendung auf der einen Seite zu erleichtern und auf der anderen Seite eine gleichförmige Rechtsanwendung in der ganzen EU voranzutreiben, stellt die Kommission den Betroffenen nun einen Leitfaden für Antragsteller zur Seite. Die darin enthaltenen Rechtsauffassungen der Europäischen Kommission sind zwar nicht rechtlich bindend, bieten aber wichtige Anhaltspunkte dafür, wie zukünftig Entscheidungen der zuständigen Behörden ausfallen werden.

Als Basis des Leitfades und der Auslegung der dort in Bezug genommenen Vorschriften betont die Europäische Kommission die Ziele der Tierarzneimittelverordnung:

  • Gewährleistung des Schutzes der Gesundheit von Mensch und Tier wie auch der Umwelt,
  • Verbesserung des Funktionierens des Binnenmarktes,
  • Erhöhung der Verfügbarkeit von Tierarzneimitteln,
  • Förderung von Forschung und Innovation,
  • Verringerung des Verwaltungsaufwands und
  • Bewältigung des durch antimikrobielle Resistenzen entstehenden Risikos für die öffentliche Gesundheit.

B. Inhalt des Leitfadens

Der Leitfaden widmet sich im Einzelnen anwendungsorientiert verschiedenen Regelungsbereichen der Tierarzneimittelverordnung.

Zunächst wird der Begriff des Tierarzneimittels konkretisiert und es werden nähere Erläuterungen der Unterkategorien gemäß Art. 4 Nr. 1 Tierarzneimittelverordnung gegeben. Auch geht die Europäische Kommission auf das Einstufungsverfahren ein, welches den potenziellen Antragstellern für die Zulassung eines Tierarzneimittels die Möglichkeit geben soll, mit den zuständigen Behörden im Vorfeld einer Antragstellung zu klären, ob überhaupt ein Tierarzneimittel vorliegt. Schließlich ordnet der erste Abschnitt des Leitfadens die Kriterien der gewerblichen Zubereitung und des industriellen Verfahrens aus Art. 2 Abs. 1 Tierarzneimittelverordnung in den Kontext der Eröffnung des Anwendungsbereichs ein und gibt weitere Hilfestellungen zur Auslegung dieser beiden Begriffe.

In einem zweiten Abschnitt erläutert der Leitfaden zunächst den territorialen Anwendungsbereich der Tierarzneimittelverordnung. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass die Tierarzneimittelverordnung auch in den EWR-Staaten Norwegen, Island und Liechtenstein gilt, sodass diese Staaten am Unionsverfahren für Tierarzneimittelzulassungen beteiligt sind. Darüber hinaus wird auch das Verhältnis zum UK kurz erläutert. Darauf aufbauend folgt sodann eine Darstellung der nationalen und zentralisierten Zulassungsverfahren inklusive der sich daraus ergebenden Wechselwirkungen. Schließlich werden einige Spezialthemen, wie die Vergabe von Fantasienamen für Tierarzneimittel und die Gültigkeit der Zulassung in den Blick genommen.

Im dritten Abschnitt des Leitfadens gibt dieser sehr ausführliche Hilfestellungen für die Einreichung von Zulassungsanträgen. Er geht dabei auf die verschiedenen, von der Tierarzneimittelverordnung geregelten Antrags- und Arzneimittelarten ein. Besonders im Bereich der Anträge für begrenzte Märkte gemäß Art. 23 Tierarzneimittelverordnung und deren Zulassungskriterien, sowie bei Anträgen für generische Tierarzneimittel nach Art. 18 Tierarzneimittelverordnung und dem Begriff des Referenztierarzneimittels sieht die Europäische Kommission erheblichen Erläuterungsbedarf.

Daran schließen im vierten Abschnitt Ausführungen zum Lebenszyklus von Zulassungen an, insbesondere zu erforderlichen Aktualisierungen und Änderungen.

Der Schutz technischer Unterlagen gemäß Artikel 38 ff. Tierarzneimittelverordnung, die von Dritten im Hinblick auf die Erteilung oder Änderung einer Zulassung für ein anderes Tierarzneimittel erstellt werden und auf die bei der Antragstellung unter Umständen verwiesen werden kann, ist ebenfalls ausführlich Gegenstand des Leitfadens (5. Abschnitt). Hinzu kommen zahlreiche Anwendungsbeispiele für die Berechnung der zugrunde liegenden Schutzzeiträume.

Zuletzt enthält der Leitfaden einige Klarstellungen zu Normen des Tierarzneimittelrechts im Hinblick auf die Beachtung des Umweltschutzes im Zulassungsverfahren und auch zum Schutz der menschlichen Gesundheit im Zusammenhang mit Tierarzneimitteln.

Zusammenfassung

Die Europäische Kommission stellt dem Rechtsanwender und Antragsteller mit dem 44 Druckseiten starken Leitfaden umfangreiche Leitlinien zu den zahlreichen, in ihrem Konkretisierungsgrad divergierenden Bestimmungen der Tierarzneimittelverordnung bereit. Ob der Leitfaden seine Ziele hinsichtlich Harmonisierung und Effektivierung erfüllen kann oder im Gegenteil zu neuen Unsicherheiten in der Auslegung führt, wird sich zeigen. Einige der in den bislang knapp fünf Jahren seit Inkrafttreten der Tierarzneimittelverordnung aufgekommenen Fragen werden mit Hilfe des Leitfadens aber beantworten werden können, sodass jedenfalls in diesen Bereichen auch mit einer Harmonisierung der Rechtsanwendung durch die unterschiedlichen, nationalen Behörden zu rechnen ist.

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6. März 2024 Prof. Dr. Boris Handorn