Aktuelle Entwicklungen im Kosmetikrecht

Aktuelle Entwicklungen im Kosmetikrecht

Immer mehr unsichere kosmetische Produkte fluten den europäischen Markt, und auch behördliche Überwachungstätigkeiten nehmen zu. Daher sollten betroffene Marktakteure sicherstellen, dass sie aktuelle rechtliche Entwicklungen rechtzeitig mitbekommen und umsetzen.

Am 14.03.2024 veröffentlichte die Europäische Kommission ihren Jahresbericht über das Safety Gate, das Schnellwarnsystem der EU für Produktsicherheit. Das Schnellwarnsystem ermöglicht einen raschen Informationsaustausch zwischen den europäischen Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission über gefährliche Non-Food-Produkte, die ein Risiko für die Gesundheit und Sicherheit der Verbraucher darstellen. Der Bericht vom 14.03.2024 bezieht sich auf Warnmeldungen aus dem Jahr 2023 und enthält Angaben zu den als gefährlich eingestuften Produkten, eine Beschreibung der Risiken und die von Wirtschaftsbeteiligten ergriffenen oder von den Behörden angeordneten Maßnahmen.

Aus dem Jahresbericht geht hervor, dass das Safety Gate im Jahr 2023 mit über 3.000 Warnmeldungen die höchste Zahl der seit der Einrichtung des Systems im Jahre 2003 validierten Warnmeldungen verzeichnete. Abgesehen von dieser sehr hohen Anzahl von Warnmeldungen unterschied sich auch die Aufschlüsselung nach Produktkategorien deutlich von dem in den Vorjahren beobachteten Muster. Im vergangenen Jahr führte die Produktkategorie „Kosmetika“ erstmals vor den Produktkategorien „Spielzeug“ und „Kraftfahrzeuge“. Mehr als 1.000 Einträge zu gefährlichen Kosmetika finden sich auf der Website des Safety Gates. Gemessen an der Gesamtzahl der Warnungen hat sich der Anteil von gefährlichen Kosmetika damit in Vergleich zum Jahre 2022 mehr als verdreifacht. Dieser Trend ist laut Bericht darauf zurückzuführen, dass die Marktüberwachungsbehörden im Zuge der Durchsetzung wirksamer Beschränkungen vor Chemikalien im Rahmen der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 („REACH-VO“) verstärkt kosmetische Mittel in den Blick nahmen, um das Vorhandensein verbotener gefährlicher chemischer Inhaltsstoffe zu überprüfen.

Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass auch der Gesetzgeber in den letzten Wochen und Monaten wieder vermehrt im kosmetikrechtlichen Bereich aktiv wurde. So hat er mit der letzten Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 (im Folgenden „Kosmetik-VO“) am 14.03.2024 durch die Verordnung (EU) 2024/858 eine Reihe von Nanomaterialien in kosmetischen Mitteln verboten und eingeschränkt (dazu unter I.). Daneben wurde das Borderline Manual, das Normadressaten und zuständigen Behörden eine Orientierungshilfe bei der Einordnung von Produkten bietet, aktualisiert und um zwei neue Einträge erweitert (dazu unter II.). Dieser Beitrag stellt die genannten aktuellen Entwicklungen im Einzelnen vor.

I. Verordnung (EU) 2024/858 – Einführung neuer Einschränkungen und Verbote für Nanomaterialien

Die Verordnung (EU) 2024/858 (im Folgenden „Änderungs-VO“) enthält zahlreiche Verbote und Einschränkungen für die Verwendung von Nanomaterialien in kosmetischen Mitteln. Nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. k) Kosmetik-VO handelt es sich bei einem „Nanomaterial“ um ein unlösliches oder biologisch beständiges und absichtlich hergestelltes Material mit einer oder mehreren äußeren Abmessungen oder einer inneren Struktur in einer Größenordnung von 1 bis 100 Nanometern.

Nach Art. 16 Abs. 1 Kosmetik-VO muss für jedes kosmetische Mittel, das Nanomaterialien enthält, ein hohes Gesundheitsschutzniveau sichergestellt werden. Unter Berücksichtigung der Stellungnahme des Wissenschaftlichen Ausschusses „Verbrauchersicherheit“ (SCCS) und bei Bestehen eines potentiellen Risikos für die menschliche Gesundheit, auch wenn unzureichende Daten vorliegen, räumt Art. 16 Abs. 6 Kosmetik-VO der Europäischen Kommission die Befugnis ein, die Verwendung von Nanomaterialien in den Anhängen II und III Kosmetik-VO zu beschränken oder gänzlich zu verbieten.

1. Neue Verbote für Nanomaterialien

Von ebendieser Befugnis hat die Europäische Kommission mit der Änderungs-VO vom 14.03.2024 Gebrauch gemacht und unter Berücksichtigung der wissenschaftlichen Gutachten des SCCS in den Zeiträumen zwischen Januar 2021 und März 2023 folgende Nanomaterialien mit Aufnahme in Anhang II der Kosmetik-VO verboten:

  • Styrol-Acrylat-Copolymer (nano), Natriumstyrol-Acrylat-Copolymer (CAS-Nr. 9010-92-8);
  • Kolloidales Silber (nano) (CAS-Nr. 7440-22-4);
  • Kupfer (nano), kolloidales Kupfer (nano) (CAS-Nr. 774-50-8);
  • Gold (nano), kolloidales Gold (nano) (CAS-Nr. 7440-57-5);
  • Goldthiothylamin-Hyaluronsäure (nano) (CAS-Nr. 1360157-34-1);
  • Acetylheptapeptid-9-kolloidalem Gold (nano) (CAS-Nr. nicht angegeben);
  • Paltin (nano), kolloidalem Platin (nano) (CAS-Nr. 7440-06-4);
  • Acetyltetrapeptid-17-kolloidalem Platin (nano) (CAS-Nr. nicht angegeben).

Allen vorgenannten Nanomaterialien ist gemein, dass sie bei einer gemeinsamen Berücksichtigung der physikalisch-chemischen und toxikologischen Aspekte sowie der Expositionsaspekte bei der Verwendung in kosmetischen Mitteln für die Verbraucher ein Gesundheitsrisiko darstellen können (vgl. Erwägungsgründe (2) bis (5) der Änderungs-VO).

2. Neue Einschränkungen für Nanomaterialien

Des Weiteren sieht die Europäische Kommission in der Änderungs-VO eine Einschränkung von Hydroxyapatit (nano) (CAS-Nr. 1306-06-5/12167-74-7) vor. Dem wissenschaftlichen Gutachten des SCCS zufolge soll Hydroxyapatit (nano) bei Verwendung in Konzentrationen von bis zu 10 % in Zahnpasten und bis zu 0,465 % in Mundspülungen sicher sein. Allerdings würden keine Daten vorliegen, die eine Bewertung der Sicherheit der Verbraucher vor Exposition durch Inhalation ermöglichen würden, weshalb der SCCS in seinem Gutachten betonte, dass seine Schlussfolgerungen nicht für sprühbare Produkte gelten, die durch Inhalation zu einer Exposition der Lunge des Verbrauchers gegenüber Nanopartikeln führen könnten (vgl. Erwägungsgrund (6) der Änderungs-VO). Demzufolge berge die Verwendung von Hydroxyapatit (nano) in kosmetischen Mitteln ein potenzielles Risiko für die menschliche Gesundheit.

Vor diesem Hintergrund hat die Kommission die Verwendung dieses Nanomaterials mit der Aufnahme in Anhang III der Kosmetik-VO eingeschränkt, wenn die Konzentration dieses Stoffes die genannten Werte in Zahnpasten und Mundspülungen überschreitet oder wenn er in sprühbaren Produkten verwendet wird, die durch Inhalation zu einer Exposition der Lunge des Verbrauchers gegenüber Nanopartikeln führen könnten.

3. Übergangsfristen

Damit betroffene Wirtschaftsakteure ausreichend Zeit haben, um die neuen Einschränkungen und Verbote einzuhalten, sieht die Änderungs-VO schließlich Übergangsfristen vor. Die Übergangsfristen finden sich in der Fußnote „(*)“ zum Anhang der Änderungs-VO und sehen vor, dass kosmetische Mittel, die die betreffenden Nanomaterialien enthalten und bei denen die Einschränkungen und/oder Verbote nicht eingehalten werden, ab dem 01.02.2025 nicht mehr in der Union in Verkehr gebracht und ab dem 01.11.2025 nicht mehr auf dem Unionsmarkt bereitgestellt werden dürfen.

II. Aktualisierung des Borderline Manuals

Bereits am 20.02.2024 veröffentlichte die Europäische Kommission eine aktualisierte Version des Borderline Manuals auf ihrer Website. Es handelt sich dabei um ein Handbuch, das von einer auf Kosmetikprodukte spezialisierte Arbeitsgruppe erstellt wird und sowohl für Normadressaten als auch für zuständige Behörden bei produktbezogenen Abgrenzungsfragen eine Orientierungshilfe bieten soll. Es handelt sich hierbei zwar explizit um unverbindliche Vorgaben; diese können jedoch von den Gerichten in einem Streitfall zur Auslegung herangezogen werden und damit mittelbar faktische Geltung erlangen.

Die Orientierungshilfe bezieht sich konkret auf die Frage, ob eine Produktgruppe in den Anwendungsbereich der Kosmetik-VO fällt oder nicht. Für die Eröffnung des Anwendungsbereichs der Kosmetik-VO muss es sich bei dem in Frage stehenden Produkt um ein „kosmetisches Mittel“ handeln (Art. 1 Kosmetik-VO). Nach der Legaldefinition des Art. 2 Abs. 1 Buchst. a) Kosmetik-VO handelt es sich bei „kosmetischen Mitteln“ um Stoffe oder Gemische, die dazu bestimmt sind, äußerlich mit den Teilen des menschlichen Körpers (Haut, Behaarungssystem, Nägel, Lippen und äußere intime Regionen) oder mit den Zähnen und den Schleichhäuten der Mundhöhle in Berührung zu kommen, und zwar zu dem ausschließlichen oder überwiegenden Zweck, diese zu reinigen, zu parfümieren, ihr Aussehen zu verändern, sie zu schützen, sie in gutem Zustand zu halten oder den Körpergeruch zu beeinflussen.

Die aktualisierte Fassung enthält nunmehr folgende zwei neue Einträge:

  • Abschnitt 358 enthält eine Einordnungshilfe für Kleber bzw. Klebstoffe („Glues/Adhesives“) zum Befestigen von Gegenständen wie künstlichen Nägeln, falschen Wimpern und Schmuck an Zähnen etc. Ausgehend von der Legaldefinition eines kosmetischen Mittels stellt die Arbeitsgruppe klar, dass Kleber bzw. Klebstoffe, die ausschließlich die Funktion haben, einen Gegenstand an einem äußeren Körperteil wie etwa am Augenlid oder an der Nagelplatte zu befestigen, nicht als kosmetisches Mittel angesehen werden können, da sie keine kosmetische Funktion haben. Die Hauptfunktion besteht vielmehr darin, das Produkt am Körper zu fixieren.
  • Abschnitt 359 adressiert die Einordnung magnetischer Augenkonturenstifte („Magnetic eyeliners“). Es handelt sich hierbei um Produkte, die wie ein normaler Eyeliner oberhalb des Wimpernkranzes aufgetragen werden, jedoch zugleich die Befestigung falscher Wimpern auf dem Augenlid ermöglichen. Solange es sich dabei um einen farbigen magnetischen Augenkonturenstift handelt, der es ermöglicht, im Sinne des Art. 2 Abs. 1 Buchst. a) Kosmetik-VO das Aussehen, hier der Augenpartie, zu verändern, kann er als kosmetisches Mittel eingestuft werden.

Ausblick

Durch die Zunahme stoffbezogener Erkenntnisse, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der geplanten Stärkung des europäischen Bewertungsansatzes „Ein Stoff, eine Bewertung“, werden Stoffbeschränkungen und -verbote voraussichtlich auch im Rahmen der Kosmetik-VO zunehmen. Konkrete Veränderungen werden zwar teilweise durch Anpassungen der CLP-Verordnung vorgezeichnet, können sich aber auch aus anderen Kontexten ergeben. Insbesondere für verantwortliche Personen nach der Kosmetik-VO wird es daher immer wichtiger, ein umfassendes und auch vorausschauendes, stoffbezogenes Monitoring vorzuhalten oder zu etablieren.

Haben Sie hierzu Fragen oder wollen Sie mit dem Autor über die News diskutieren? Kontaktieren Sie gerne: Dr. Zeynep Schreitmüller oder  Michael Öttinger