PFAS-Beschränkung im Medizinproduktesektor

PFAS-Beschränkung: Herausforderungen für Medizinproduktehersteller

Das geplante Verbot der Herstellung, des Inverkehrbringens und der Verwendung von per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (sog. PFAS) wird Unternehmen verschiedenster Branchen vor erhebliche Herausforderungen stellen.

Das Verbot soll in Form einer Beschränkung im Rahmen der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH) umgesetzt werden. Zu diesem Zweck haben die zuständigen Behörden Deutschlands, der Niederlande, Dänemarks, Norwegens und Schwedens am 13.01.2023 einen gemeinsamen Vorschlag bei der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) eingereicht. Der Vorschlag wurde bereits am 07.02.2023 erstmals von der ECHA veröffentlicht und am 22.03.2023 nochmals geringfügig aktualisiert. In dieser Fassung ist der Vorschlag Gegenstand einer öffentlichen Konsultation, die noch bis zum 25.09.2023 andauert (wir haben berichtet: Das ändert sich 2023: Chemikalienrecht – PFAS).

Der Beschränkungsvorschlag weist aus verschiedenen Gründen eine beachtliche Komplexität aus. Hierzu trägt auch das Wechselspiel zwischen einem generellen Verbot der Herstellung, des Inverkehrbringens und der Verwendung von PFAS als solchen, in Stoffen, in Gemischen oder in Erzeugnissen einerseits und einer derzeit noch sehr umfangreichen Liste spezifischer Ausnahmen und Übergangsregelungen andererseits bei. Unternehmen aller Branchen sind daher gut beraten, sich mit den Einzelheiten des Vorschlags vertraut zu machen und die erforderlichen Eingaben im Rahmen der noch andauernden öffentlichen Konsultation einzureichen.

Gerade das Fehlen einer generellen Ausnahme oder Übergangsregelung für Medizinprodukte erweist sich jedoch als besondere Herausforderung. Für Medizinprodukte sind zwar eine Reihe von Übergangsregelungen im Vorschlag enthalten. Diese zielen aber nur auf einzelne, konkreten Verwendungen bzw. Produkte ab. Medizinprodukte, die nicht Gegenstand einer spezifischen Regelung sind, würden folglich nach der aktuellen Struktur des Vorschlags nicht von längeren Übergangsfristen profitieren und müssten die PFAS-Beschränkung 18 Monate nach Inkrafttreten einhalten. Mit Blick auf die Anforderungen der MDR und die Kapazitätsengpässe bei benannten Stellen drohen in diesem Fall greifbare Verkehrsverbote, Lieferengpässe und ggf. auch Versorgungslücken.

Die damit in Zusammenhang stehenden Problemlagen und Herausforderungen für Hersteller von Medizinprodukten – auch und gerade vor dem Hintergrund der Übergangsregelungen der MDR – beleuchtet unser Partner Martin Ahlhaus in einem aktuellen Podcast der Reihe „Medical Device Insights“ des Johner Instituts.

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Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit des Europäischen Parlaments schlägt ein Verbot von PFAS in Lebensmittelverpackungen aus Papier und Karton vor

Am 11.04.2023 legte der Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit den Entwurf eines Berichts über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Verpackungen und Verpackungsabfälle, zur Änderung der Verordnung (EU) 2019/1020 und der Richtlinie (EU) 2019/904 sowie zur Aufhebung der Richtlinie 94/62/EG vor (KOM(2022)0677 – C9-0400/2022 – 2022/0396(COD)).

Die Änderungsvorschläge der Berichterstatterin enthalten mehrere höchst fragwürdige Forderungen. Dies betrifft in erster Linie die geforderte Möglichkeit für die Mitgliedstaaten, zusätzliche Nachhaltigkeitsmaßnahmen zu erlassen, die über die harmonisierten Maßnahmen der Verordnung hinausgehen. Darüber hinaus schlägt die Berichterstatterin vor, dass Anbieter von Online-Plattformen die Hauptanforderungen der erweiterten Herstellerverantwortung in eigener Vrantwortung erfüllen müssen, es sei denn, sie können nachweisen, dass die primär verantwortlichen Hersteller der betreffenden Verpackungen diese Anforderungen tatsächlich einhalten.

Der Schwerpunkt dieses Artikels liegt jedoch auf dem vorgeschlagenen Verbot von PFAS in Lebensmittelverpackungen aus Papier und Pappe:

Mit diesem Vorschlag zielt die Berichterstatterin auf ein PFAS-Verbot ab, das über den Vorschlag zur Beschränkung von PFAS im Rahmen der REACH-Verordnung hinausgeht. Die vorgeschlagene Änderung enthält keine spezifische Definition von Stoffen, die als PFAS betrachtet werden sollten, und bezieht sich lediglich auf die OECD-Definition von PFAS aus dem Jahr 2018. Insofern ignoriert der Vorschlag die Tatsache, dass PFAS im Jahr 2021 von der OECD neu definiert wurden. Darüber hinaus enthält auch der Beschränkungsvorschlag im Rahmen von REACH Abweichungen von der OECD-Definition, die sich im Vorschlag für ein Verbot von PFAS in einer möglichen Verordnung über Verpackungen und Verpackungsabfälle nicht wiederfinden. Weiterhin werden im Gegensatz zum Beschränkungsvorschlag unter REACH keine Schwellenwerte berücksichtigt. Dies ist umso bemerkenswerter, als keine Angaben zu möglichen Analysemethoden zur Bestimmung von PFAS in Lebensmittelverpackungen aus Papier und Karton gemacht werden. Unabhängig von den oben genannten Ungereimtheiten scheinen die Vorschläge der Berichterstatterin die Tatsache zu ignorieren, dass der Vorschlag für eine PFAS-Beschränkung im Rahmen von REACH bereits PFAS in Lebensmittelverpackungen aus Papier und Pappe bewertet hat und in dieser Hinsicht keine Ausnahmen oder Abweichungen vorschlägt. Schon vor diesem Hintergrund erscheint der Vorschlag nicht sinnvoll, da der Ansatz einer harmonisierten Beschränkung von PFAS gefährdet wäre und die vorgeschlagene Maßnahme aufgrund des anhängigen Beschränkungsverfahrens unter der REACH-Verordnung nicht gerechtfertigt erscheint.

Ungeachtet dessen sind beide beabsichtigten Maßnahmen, d.h. der Beschränkungsvorschlag unter REACH sowie der oben erwähnte Vorschlag für ein PFAS-Verbot in einer kommenden Verordnung über Verpackungen und Verpackungsabfälle, mit dem Makel behaftet, dass die Gefahreneigenschaften nicht für alle in den jeweiligen Anwendungsbereich fallenden Stoffe ermittelt werden können. Während der Vorschlag für Beschränkungen gemäß Art. 68 Abs. 1 REACH auf die Tatsache verweist, dass die Eigenschaften von PFAS unterschiedlich sind und von PFAS zu PFAS variieren, und nicht nachgewiesen oder behauptet wird, dass alle PFAS, die in den Anwendungsbereich des Vorschlags fallen, zusätzliche gefährliche Eigenschaften haben, die über ihre Persistenz hinausgehen, gibt der Vorschlag für ein Verbot von PFAS in Lebensmittelverpackungen aus Papier und Pappe nicht einmal die wissenschaftliche Grundlage oder irgendwelche Einschränkungen der verfügbaren Daten an.

Ungeachtet des begrenzten Anwendungsbereichs der vorgeschlagenen Beschränkung von PFAS, die nur auf Lebensmittelverpackungen aus Papier und Pappe abzielt, sollten die Marktteilnehmer den Vorschlag des Ausschusses für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit zur Kenntnis nehmen. Das öffentliche Konsultationsverfahren zum Beschränkungsvorschlag nach Art. 68 Abs. 1 REACH schließt zusätzliche, abweichende und/oder strengere Maßnahmen im Zusammenhang mit anderen Gesetzgebungsverfahren nicht aus. In Anbetracht der Tatsache, dass derzeit eine Vielzahl von produktbezogenen Rechtsakten auf EU-Ebene überarbeitet wird, müssen alle entsprechenden Gesetzgebungsverfahren sorgfältig geprüft werden. Es sollte vermieden werden, dass weitere Verbote oder Beschränkungen unabhängig von dem anhängigen Beschränkungsverfahren im Rahmen von REACH und vor der Bewertung durch den Ausschuss für Risikobeurteilung (RAC) und den Ausschuss für sozioökonomische Analyse (SEAC) eingeführt werden.

Die jüngsten Entwicklungen in Bezug auf eine mögliche Verordnung über Verpackungen und Verpackungsabfälle machen deutlich, dass die Industrie das Risiko paralleler Maßnahmen zum Verbot von PFAS nicht unterschätzen sollte. Das Gleiche gilt für Stoffe oder Stoffgruppen, die auf dem Prüfstand stehen, wie z. B. endokrine Disruptoren. Die Tatsache, dass spezifische Verfahren im Rahmen des Chemikalienrechts noch nicht eingeleitet oder abgeschlossen sind, schließt Beschränkungen oder Verbote mit anderen Mitteln nicht aus.

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