Das ändert sich 2023: Produktbezogenes Zivilrecht und Wettbewerbsrecht

Das ändert sich 2023: Produktbezogenes Zivilrecht und Wettbewerbsrecht

Die zunehmende Dynamik im Bereich der produktbezogenen Regulierung auf nationaler und europäischer Ebene ist nicht mehr aufzuhalten: Unternehmen sollten daher in Bezug auf sowohl bereits beschlossene und sie betreffende Rechtsänderungen als auch laufende und sich andeutende Entwicklungen auf der Höhe der Zeit sein. Nur so können sie einerseits die Einhaltung geltender Vorgaben sicherstellen und andererseits auf die Gestaltung künftiger Vorgaben einwirken.

Dieser Beitrag stellt den vierten Teil der Serie an Blog-Beiträgen mit dem Titel „Das ändert sich 2023“ dar, in denen die Experten des Teams der Produktkanzlei die relevanten Themen aus ihren jeweiligen Spezialgebieten überblicksartig zusammenfassen. Konkret werden nachfolgend die Gesetzesinitiative der EU-Kommission zum Recht auf Reparatur (dazu A.), die Initiative zur Substantiierung von „Green Claims“ (dazu B.), und der Richtlinienvorschlag zur Änderung der UGP-Richtlinie und der Verbraucherrechte-Richtlinie (dazu C.) in den Blick genommen.

A. Recht auf Reparatur

Die EU-Kommission möchte Regelungen zu einem neuen Recht auf Reparatur einführen. Geplant ist eine Novellierung der europäischen Warenkaufrichtlinie und/oder ein eigener Rechtsakt zur Einführung eines Rechts auf Reparatur. Die Kommission hat das Verfahren durch ihre Initiative „Nachhaltiger Konsum von Gütern – Förderung von Reparatur und Wiederverwendung“ angestoßen, zu der das Europäische Parlament am 07.04.2022 einen Entschließungsantrag angenommen hat. Ein konkreter Gesetzesentwurf existiert derzeit noch nicht. Allerdings hat die Kommission das Vorhaben in ihr Arbeitsprogramm für das Jahr 2023 aufgenommen.

Hauptziel dieser Gesetzesinitiative ist, die Verbraucher zu ermutigen, Verbrauchsgüter länger zu nutzen, indem sie mangelhafte Waren reparieren und mehr gebrauchte und generalüberholte Waren statt neuen Produkten kaufen. Hierzu werden mehrere Möglichkeiten (alternativ oder kumulativ) diskutiert:

  • Option 1: Geringes politisches Eingreifen – freiwillige Verpflichtungen: Anreize für Unternehmen, sich freiwillig zur Reparatur von Gütern mit erheblichen negativen Auswirkungen auf die Umwelt zu verpflichten; Förderung des Kaufs gebrauchter und generalüberholter Güter
  • Option 2: Moderates politisches Eingreifen:
    • Unteroption 2A: Verlängerung der gesetzlichen Garantiezeit: i) bei neuen Waren können die Verbraucher entscheiden, ob sie diese bei Mängeln reparieren lassen anstatt sie ersetzen zu lassen und/oder ii) bei gebrauchten und/oder überholten Waren
    • Unteroption 2B: Bevorzugte Abhilfemaßnahme sollte die Reparatur sein, wenn diese kostengünstiger oder ebenso günstig wie der Ersatz ist; Verpflichtung der Hersteller oder Verkäufer, Waren über die gesetzliche Garantiezeit hinaus zu einem angemessenen Preis zu reparieren (neues Recht auf Reparatur)
  • Option 3: Starkes politisches Eingreifen:
    • Unteroption 3A: Beschränkung der Wahlmöglichkeiten für den Verbraucher durch Bevorzugung der Reparatur vor dem Ersatz eines Produkts; Verpflichtung der Hersteller oder Verkäufer, Waren in einigen Fällen über die gesetzliche Garantie hinaus kostenlos zu reparieren (neues Recht auf Reparatur)
    • Unteroption 3B: Verlängerung der gesetzlichen Gewährleistung über den derzeitigen Mindestzeitraum von zwei Jahren hinaus
    • Unteroption 3C: Der Verkäufer kann fehlerhafte Produkte durch überholte (gebrauchte) Produkte ersetzen

B. EU-Initiative zur Substantiierung von Green Claims

Die EU-Kommission hat eine Initiative für Nachweise der Umweltleistung von Produkten und Unternehmen gestartet. Darin wird ein harmonisierter Ansatz skizziert, um in Zukunft zuverlässigere und letztlich vergleichbarere Informationen zu umweltbezogenen Claims zu ermöglichen und so „Greenwashing“ (d. h. die Vermittlung eines falschen Eindrucks der Umweltauswirkungen eines Unternehmens) zu verringern. Die Umsetzung dieses Vorhebens hätte absehbar wettbewerbsrechtliche Auswirkungen; so spricht die Kommission selbst von einer Maßnahme zur Förderung des Wettbewerbs in „grünen“ Märkten.

Neben einer Beibehaltung des status quo werden folgende Optionen diskutiert:

  • Option 1: Update der bestehenden Empfehlung 2013/179/EU für die Anwendung gemeinsamer Methoden zur Messung und Offenlegung der Umweltleistung von Produkten und Organisationen.
  • Option 2: Schaffung eines freiwilligen EU-Rechtsrahmens, der es Unternehmen ermöglicht, Green Claims in Übereinstimmung mit den Methoden des ökologischen Fußabdrucks („Environmental Footprint methods“) zu machen, als Ergänzung zu bestehenden Methoden (von privaten oder öffentlichen Einrichtungen, auf nationaler oder internationaler Ebene entwickelt).
  • Option 3: Schaffung eines europäischen Rechtsrahmens, der Unternehmen dazu verpflichtet, Angaben zu den Auswirkungen zu machen, die von den spezifischen Methoden des ökologischen Fußabdrucks erfasst werden um die Claims anhand der Methoden des ökologischen Fußabdrucks zu belegen. Nachdem so genannte Product Environmental Footprint Category Rules (PEFCRs) oder Organisation Environmental Footprint Sector Rules (OEFSRs) umgesetzt werden, sollten Green Claims auf dieser Grundlage substantiiert werden, da sie eine detailliertere Berechnung des ökologischen Fußabdrucks ermöglichen. Gibt es keine derartigen Regeln, können die Angaben durch eine Studie gemäß der so genannten PEF/OEF-Methode belegt werden.

C. Richtlinienvorschlag zur Änderung der UGP-Richtlinie und der Verbraucherrechte-Richtlinie

Die EU-Kommission hat den Vorschlag einer Richtlinie zur Änderung der Richtlinien 2005/29/EG und 2011/83/EU hinsichtlich der Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel durch besseren Schutz gegen unlautere Praktiken und bessere Informationen veröffentlicht. Dies wird insbesondere hinsichtlich der Werbung mit Green Claims und der Reparierbarkeit von Produkten absehbar erhebliche Konsequenzen im Wettbewerbsrecht haben.

So sollen im Rahmen des Irreführungstatbestands die ökologischen und sozialen Auswirkungen, die Haltbarkeit und die Reparierbarkeit des Produkts als wesentliche Merkmale aufgenommen werden. Ferner sollen Aussagen über eine künftige Umweltleistung als irreführend gelten, wenn diese ohne klare, objektive und überprüfbare Verpflichtungen und Ziele sowie ohne ein unabhängiges Überwachungssystem getroffen werden.

Die so genannte Schwarze Liste mit Geschäftspraktiken, die stets als unlauter gelten, soll insbesondere um folgende Tatbestände erweitert werden:

  • Das Anbringen eines Nachhaltigkeitssiegels, das nicht auf einem Zertifizierungssystem beruht oder von staatlichen Stellen festgesetzt wurde.
  • Das Treffen einer allgemeinen Umweltaussage, bei der der Gewerbetreibende für die anerkannte hervorragende Umweltleistung, auf die sich die Aussage bezieht, keine Nachweise erbringen kann.
  • Das Treffen einer Umweltaussage zum gesamten Produkt, wenn sie sich tatsächlich nur auf einen bestimmten Aspekt des Produkts bezieht.
  • Die Unterlassung der Information des Verbrauchers, dass ein Merkmal einer Ware vorliegt, das eingeführt wurde, um ihre Haltbarkeit zu beschränken (geplante Obsoleszenz).
  • Die Behauptung, dass eine Ware eine gewisse Haltbarkeit hinsichtlich der Nutzungszeit oder -intensität hat, wenn dies nicht der Fall ist.
  • Die Präsentation von Waren als reparierbar, wenn sie es nicht sind, oder Unterlassung der Information des Verbrauchers, dass die Ware nicht im Einklang mit den gesetzlichen Anforderungen repariert werden kann.
  • Das Veranlassen des Verbrauchers, Betriebsstoffe einer Ware früher zu ersetzen, als dies aus technischen Gründen notwendig ist.
  • Die Unterlassung der Information, dass eine Ware so konzipiert wurde, dass ihre Funktionalität durch die Verwendung von Betriebsstoffen, Ersatzteilen oder Zubehör, die nicht vom ursprünglichen Hersteller bereitgestellt wurden, beschränkt wird.

Die Themen Nachhaltigkeit und Green Claims gewinnen im allgemeinen Zivilrecht immer mehr an Bedeutung. Zum einen ist mittelfristig von der Einführung eines europaweiten Rechts auf Reparatur auszugehen. Zum anderen nimmt die Regelungsdichte im Wettbewerbsrecht bezüglich produktbezogenen Werbeaussagen immer mehr zu. Das betrifft vor allem Green Claims, aber auch weitere Werbung mit Umweltaussagen bis hin zu einer Hinweispflicht auf eine etwaige geplante Obsoleszenz von Produkten.

Haben Sie zu dieser News Fragen oder wollen Sie mit dem Autor über die News diskutieren? Kontaktieren Sie gerne: Dr. Florian Niermeier

17. Januar 2023 Dr. Florian Niermeier