Das ändert sich 2022: produktbezogenes Umweltrecht und Lieferkettenregulierung

Das ändert sich 2022: Produktbezogenes Umweltrecht und Lieferkettenregulierung

Das Jahr 2022 bringt zahlreiche gesetzliche Veränderungen für betroffene Wirtschaftsakteure in allen Rechtsbereichen mit sich, auf die wir uns als Produktkanzlei spezialisiert haben. Dieser Beitrag stellt den Auftakt einer Serie an Blog-Beiträgen mit dem Titel „Das ändert sich 2022“ dar, in denen die jeweiligen Experten aus dem Team der Produktkanzlei die relevanten Themen aus ihrem Bereich überblicksartig zusammenfassen.

Dieser Beitrag stellt zunächst die wesentlichen Veränderungen im produktbezogenen Umweltrecht vor (dazu unter A.). Im Anschluss wird ein Ausblick auf die im Jahr 2022 zu erwartenden Rechtsentwicklungen in diesem Bereich gegeben (dazu unter B.). Abschließend werden die nach dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz für das Jahr 2022 anstehenden Umsetzungsvorbereitungen in den Gesamtkontext der diesbezüglichen Pflichterfüllung eingeordnet, und es wird ebenfalls ein Ausblick gegeben (dazu unter C.).

A. Produktbezogenes Umweltrecht

Die zum 01.01.2022 im produktbezogenen Umweltrecht in Kraft getretenen gesetzlichen Veränderungen zielen beinahe ausnahmslos auf die Ausweitung der Kreislaufwirtschaft und den Schutz der Umwelt vor Vermüllung ab.

Elektro- und Elektronikgerätegesetz (ElektroG)

Die größten Änderungen im produktbezogenen Umweltrecht betreffen zweifelsohne das ElektroG. Zur Steigerung der Sammelquote für Elektroaltgeräte wurden zahlreiche, bereits bestehende Pflichten ausgeweitet und neue Pflichten eingeführt. Dies betrifft insbesondere folgende Bereiche:

  • Verpflichtende Rücknahme von Altgeräten für andere Nutzer als private Haushalte durch den Hersteller durch Ausschluss der vertraglichen Verlagerungsmöglichkeit (§ 19 ElektroG); damit korrespondierende Informationspflicht (§ 19a ElektroG) und Pflicht zur Erstellung und Vorlage eines Rücknahmekonzepts im Rahmen der Registrierung (§ 7a ElektroG – gilt auch bei bereits bestehenden Registrierungen; Vorlagepflicht bis zum 30.06.2022).
  • Inhaltliche Ausweitung der Informationspflichten für Hersteller und Vertreiber von Elektro- und Elektronikgeräten für private Haushalte (§ 18 Abs. 3, 4 ElektroG). Zu beachten ist hier die Pflicht für Hersteller zur schriftlichen Beifügung der Informationen zu jedem einzelnen Gerät das ab dem 01.01.2022 angeboten wird (§ 18 Abs. 4 Satz 2 ElektroG).
  • Pflicht für rücknahmepflichtige Vertreiber nach § 17 Abs. 1 ElektroG und im Fernabsatzhandel nach § 17 Abs. 2 ElektroG, dem Endkunden bei Auslieferung eines neuen Gerätes die kostenfreie Mitnahme des Altgerätes bei Auslieferung anzubieten und ihn im Rahmen des Abschlusses des Kaufvertrages ausdrücklich nach seiner Absicht zu befragen, ob er von diesem Angebot Gebrauch machen möchte.
  • Ab dem 30.06.2022 werden auch Lebensmittelhändler mit einer Gesamtverkaufsfläche von 800 qm nach § 17 Abs. 1, 2 ElektroG rücknahmepflichtig, wenn sie mehrmals im Kalenderjahr oder dauerhaft Elektro- und Elektronikgeräte anbieten oder auf dem Markt bereitstellen.

Weitere Details sind in unserem Blog-Beitrag zur Änderung des ElektroG enthalten; zur Vertiefung: Öttinger, GewArch 2021, S. 487 ff. Der vollständige Gesetzestext der Novelle ist abrufbar unter: BGBl. 2021 I Nr. 25, vom 27.05.2021, S. 1145.

Batteriegesetz (BattG)

Zwar ist die Novelle des Batteriegesetzes weitgehend bereits am 01.01.2021 in Kraft getreten. Bestimmte Pflichten sind auf Grund von Übergangsfristen aber erst seit dem 01.01.2022 zu erfüllen. Dies betrifft insbesondere die folgenden Pflichten:

  • Ausnahmslose Registrierungspflicht bei der Stiftung ear nach § 4 BattG, nachdem die Übergangsfrist für bestehende Anzeigen beim Umweltbundesamt (UBA) zum 31.12.2021 abgelaufen ist.
  • Nach den alten Vorgaben genehmigte, herstellereigene Rücknahmesysteme benötigen seit dem 01.01.2022 eine Genehmigung durch die Stiftung ear (§ 7 BattG).

Weitere Details sind in unserem Blog-Beitrag Neugestaltung des Batteriegesetzes enthalten; zur Vertiefung: Ahlhaus/Öttinger, Das Batteriegesetz 2021 – Erläuterungen, Änderungen, Rechtstexte, 2. Aufl. 2021 und Öttinger, NVwZ 2021, S. 1084 ff. Der vollständigen Gesetzestext der Novelle ist abrufbar unter: BGBl. 2020 I Nr. 50, vom 09.11.2020, S. 2280.

Verpackungsgesetz (VerpackG)

Auch im Bereich des Verpackungsrechts sind zum 01.01.2022 mehrere Neuerungen in Kraft getreten, die eine Vielzahl von Unternehmen betreffen:

  • Verbot des Inverkehrbringens leichter Kunststofftragetaschen mit einer Wandstärke von weniger als 50 Mikron; Ausnahme für sehr leichte Kunststofftragetaschen mit weniger als 15 Mikron für bestimmte, eng begrenzte Anwendungsbereiche (§ 5 Abs. 2 VerpackG).
  • Erhebliche Ausweitung der Pfandpflicht auf Einwegkunststoffgetränkeflachen und auf Getränkedosen; Übergangszeitraum bis zum 01.07.2022 (§ 31 VerpackG)
  • Ab dem 01.07.2022 Ausweitung der Registrierungspflicht auf alle Hersteller von Verpackungen, unabhängig davon, ob es sich um systembeteiligungspflichtige oder nicht-systembeteiligungspflichtige Verpackungen handelt (§ 9 VerpackG)
  • Ab dem 01.07.2022 besteht zudem ein Verbot für Betreiber elektronischer Marktplätze zur Ermöglichung des Anbietens und für Fulfilment-Dienstleister zur Erbringung ihrer Leistungen, wenn der jeweilige Hersteller nicht registriert ist und/oder die betroffenen Verpackungen nicht an einem System beteiligt sind (§ 9 Abs. 5 und § 7 Abs. 7 VerpackG).

Weitere Details sind in unseren Blog-Beiträgen Verbot leichter Kunststofftragetaschen, Novelle VerpackG und Novelle VerpackG – Einwegkunststoffverpackungen enthalten; zur Vertiefung: Öttinger, CB 2021, S. 292 ff. und Öttinger/Greif, NUR 2021, S. 438 ff.

B. Ausblick auf anstehende Entwicklungen

Obwohl sich im letzten Jahr und seit Jahresbeginn im Bereich des produktbezogenen Umweltrechts bereits vieles getan hat, stehen auch für das Jahr 2022 zahlreiche weitere Entwicklungen sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene an.

Da der Regierungswechsel in Deutschland erst wenige Wochen her ist, liegen auf nationaler Ebene noch keine konkreten Entwürfe oder konkretisierten Pläne vor. Allerdings sind im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung (wir haben im Detail berichtet: Koalitionsvertrag der „Ampel“) zahlreiche Initiativen zur Verbesserung der Kreislaufwirtschaft im Bereich des produktbezogenen Umweltrechts angekündigt. Zu nennen sind hier folgende Aspekte, welche unter Umständen sehr umfassende Auswirkungen auf zahlreiche Branchen haben können:

  • digitale Produktpässe
  • verbindliche Recycling-Label
  • Ausweitung von Mehrweg-, Rücknahme- und Pfandsystemen (insb. für bestimmte Elektrogeräte und Lithium-Ionen-Batterien)
  • Steigerung des Rezyklateinsatzes
  • ressourcenschonendes und recyclingfreundliches Verpackungsdesign.

Neben der nationalen Ebene sind auch auf EU-Ebene vor dem Hintergrund des sog. European Green Deals und des Circular Economy Actions Plans mehrere Initiativen bereits angestoßen oder jedenfalls absehbar:

  • Entwurf einer Europäischen Batterieverordnung mit einer Abkehr von der bisherigen, rein abfallbezogenen hin zu einer lebenszyklusumspannenden Regulierung (zur Vertiefung: Öttinger, InTeR 2021, S. 202 ff.)
  • Überarbeitung der RoHS-Richtlinie für das 4. Quartal 2022 angekündigt
  • Überarbeitung der Verpackungsrichtlinie für das 1. Quartal 2022 angekündigt
  • zahlreiche weitere legislative und nicht legislative Maßnahmen im gesamten Bereich der Kreislaufwirtschaft.

Im Lichte dieser Aussichten lohnt es sich, auch im Jahr 2022 die relevanten Entwicklungen im Blick zu behalten und sofern möglich, die eigenen Belange in die Rechtssetzungsverfahren einzubringen. Selbstverständlich informieren wir als Produktkanzlei wie üblich weiterhin über anstehende und geplante Veränderungen.

C. Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz im Jahr 2022

Ausgangspunkt der nachstehenden Ausführungen ist die Tatsache, dass das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) in den für die betroffenen Unternehmen relevanten Teilen erst zum 01.01.2023 in Kraft tritt. Dies bedeutet, dass alle darin enthaltenen Verpflichtungen, insbesondere auch die Durchführung einer Risikoanalyse nach § 5 LkSG, nicht bereits vorab im Jahr 2022 durchzuführen sind, sondern die Handlungsverpflichtungen erst ab dem Jahr 2023 bestehen. Gerade in der Tatsache, dass es sich grundsätzlich um reine Handlungs- und um keine Erfolgspflichten handelt, liegt der entscheidende und aktuell leider oftmals verkannte Unterschied zu vielen sonstigen Verpflichtungen, beispielsweise aus dem Bereich des produktbezogenen Umweltrechts. Die im LkSG vorgeschriebenen Handlungen müssen ab Inkrafttreten des Gesetzes mit angemessener Geschwindigkeit aus- und durchgeführt werden, aber eben gerade nicht mit dem Zeitpunkt des Inkrafttretens bereits (vollumfänglich) durchgeführt sein. Daher enthält das Gesetz gerade keine fixen Zeitpunkte, bis wann eine spezifische Handlung abgeschlossen sein muss, da dies bei den sehr weitreichenden und unternehmensindividuell voraussichtlich sehr unterschiedlich zu erfüllenden Pflichten auch gar nicht möglich wäre.

Damit soll zwar nicht gesagt werden, dass Unternehmen für die das LkSG ab dem 01.01.2023 gilt (Faustformel: Unternehmen mit mindestens 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Deutschland, inklusive verbundener Unternehmen im Inland, § 1 Abs. 1, 3 LkSG) im Jahr 2022 vollkommen untätig bleiben sollten. Eine besonnene und systematische Vorbereitung ohne Hektik ist aber durchaus möglich und auch geboten. Gerade vor dem Hintergrund, dass das zuständige Bundesamt für Ausfuhrkontrolle (BAFA) noch keinerlei Hinweise veröffentlicht hat, wie die neuen gesetzlichen Vorgaben aus Behördensicht umzusetzen sein werden (die Pflicht zur Veröffentlichung derartiger Leitlinien ergibt sich aus § 20 LkSG), kann ein zu forsches Voranpreschen unter Umständen auch zu Ergebnissen führen, die schlussendlich nicht mit der Behördeninterpretation in Einklang stehen und mithin (von Grund auf) neu gestaltet oder mindestens überarbeitet werden müssen.

Um derartig unnötigen Aufwand zu vermeiden, empfiehlt es sich unserer Meinung nach zwar, sich mit den neuen Vorgaben zu beschäftigen, und insbesondere auch bereits Prozessstrukturen für die Umsetzung der in einem ersten Schritt erforderlichen Risikoanalyse vorzubereiten, jedoch umfassende Detailfestlegungen in diesem Zusammenhang erst für die zweite Jahreshälfte 2022 vorzusehen. Gleiches gilt für die Vorbereitungen zum Beschwerdemanagement nach § 8 LkSG und die Personalplanung zur Bestimmung verantwortlicher Personen nach § 4 Abs. 3 LkSG. Da spezifische Präventions- und Abhilfemaßnahmen nach den §§ 6 f. LkSG ohnehin erst passgenau definiert werden können, wenn die tatsächlich bestehenden Risiken und Verletzungen der geschützten Rechtspositionen und Umweltbelange im Rahmen der Risikoanalyse ermittelt sind, sollten auch in diesem Zusammenhang allenfalls Prozessstrukturen vorbereitet, jedoch noch keine die spätere, individuell auf den jeweiligen Fall angepasste Umsetzung einschränkenden Detailfestlegungen getroffen werden. Einen enorm hilfreichen Überblick über zahlreiche Themen zum LkSG bietet die Sammlung von Fragen und Antworten des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales; dort wird auch die vorstehend geschilderte zeitliche Dimension der Erfüllung der bestehenden Handlungspflichten ausdrücklich bestätigt.

Abschließend sei darauf hingewiesen, dass seit März 2021 auf EU-Ebene zwar ein Vorschlag des Europäischen Parlamentes für eine Richtlinie zu Sorgfaltspflichten in der Lieferkette vorliegt, aber der ein förmliches Gesetzgebungsverfahren einleitende Entwurf seitens der EU-Kommission inzwischen mehrfach verschoben wurde und noch nicht vorliegt.

Haben Sie zu dieser News Fragen oder wollen Sie mit dem Autor über die News diskutieren? Kontaktieren Sie gerne: Michael Öttinger