Das ändert sich 2024: Produktbezogenes Zivilrecht und Wettbewerbsrecht

Das ändert sich 2024: Produktbezogenes Zivilrecht und Wettbewerbsrecht

Auch in 2024 gilt es die Entwicklungen im produktbezogenen Zivil- und Wettbewerbsrecht im Auge zu behalten. Insbesondere stehen entscheidende Gesetzgebungsvorhaben kurz vor dem Abschluss, so dass die Industrie im Laufe von 2024 voraussichtlich in inhaltlicher und zeitlicher Hinsicht mehr Klarheit über die künftige Rechtslage haben wird.

Vor diesem Hintergrund geben wir nachstehend ein Update zur Green-Claims Richtlinie (A.), zur geplanten Änderung der UGP-Richtlinie und der Verbraucherrechte-Richtlinie (B.) und zum „Recht auf Reparatur“ (C.). Zudem werden die geplanten Änderungen zur Videokonferenztechnik im Zivilprozess in den Blick genommen (D.).

A. Green Claims

Auf europäischer Ebene sollen umweltbezogene Werbeaussagen neu reguliert werden, um insbesondere Werbung, die Greenwashing enthält, deutlich zu reduzieren. Hierfür hat die Kommission in ihrem Richtlinienentwurf (abrufbar hier) einen recht radikalen Ansatz gewählt. Green Claims ohne eine detaillierte inhaltliche Bewertung zum Beleg der jeweiligen Aussage sollen verboten werden. Ferner sollen neue Umweltzeichen auf nationaler Ebene grundsätzlich verboten werden. Dies wird die Werbung mit umweltbezogenen Claims künftig deutlich erschweren und für die Gewerbetreibenden auch verteuern.

Wie bereits kurz erwähnt, setzt die Verwendung einer (freiwilligen) umweltbezogenen Werbeaussage in Zukunft voraus, dass diese zuvor einer detaillierten Bewertung unterzogen wird. Diese muss auf einer wissenschaftlichen Grundlage beruhen und auch belegen, dass die für das Produkt oder das Unternehmen ausgelobten Vorteile erheblich sind.

Zusätzlich muss diese Begründung eines Green Claims von einer unabhängigen Konformitätsbewertungsstelle geprüft werden. Diese stellt bei einem positiven Ergebnis eine entsprechende Konformitätsbescheinigung aus. Nur mit einer solchen formalen Bescheinigung ist die Verwendung einer ausdrücklichen Umweltaussage zulässig. Die zugrunde liegenden Begründungsansätze, insbesondere Studien und Berechnungen, sind ebenso wie die Konformitätsbescheinigung mit dem Green Claim zur Verfügung zu stellen, können also von den Verbrauchern und anderen Interessierten eingesehen werden.

Die zuständigen nationalen Behörden haben die Einhaltung dieser neuen Vorschriften zu kontrollieren. Ausdrücklich ist vorgesehen, dass bei den zuständigen Behörden Beschwerden eingelegt werden können, wenn die Besorgnis besteht, dass die rechtlichen Vorgaben nicht eingehalten werden. Die Behörden haben den Beschwerdeführer dann über ihre Entscheidung zu informieren und diese zu begründen. Dem Beschwerdeführer steht dann der Rechtsweg offen. Bei Verstößen gegen die neuen Regelungen, also bei der Verwendung unzulässiger Green Claims, sind folgende Sanktionen vorgesehen:

  • Geldbußen mit denen dem Gewerbetreibenden der aus dem Verstoß gezogene wirtschaftliche Nutzen entzogen werden soll. Achtung: Bei Verstößen mit EU-Dimension muss der Höchstbetrag einer solchen Geldbuße mindestens 4 % des Jahresumsatzes in den betreffenden Mitgliedsstaaten betragen.
  • Die Einziehung von Einnahmen, die der Gewerbetreibende mit den betroffenen Produkten erzielt hat
  • Bis zu einem Jahr Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge und öffentlichen Finanzierungen, einschließlich Ausschreibungen und Finanzhilfen

Als mittelbare Sanktion ist zu ergänzen, dass durch eine weitere vorgesehene Änderung der Verbandsklagerichtlinie (EU) 2020/1828 Verstöße bei der Verwendung von Green Claims auch verbandsklagefähig gemacht werden. Der Verwender wird damit auch dem Risiko von gegen ihn gerichteten Sammelklagen ausgesetzt sein.

Nachdem bereits Änderungsanträge des Europäischen Parlaments vorliegen, ist die entsprechende Plenarsitzung im März 2024 vorgesehen. Ausgehend von dem weiteren europäischen Gesetzgebungsverfahren und der sich anschließenden Umsetzung in nationales Recht und der noch einmal sechs Monate späteren Anwendung dieses nationalen Rechts erscheint eine Umsetzung im Lauf des Jahres 2027 derzeit realistisch.

B. Richtlinienvorschlag zur Änderung der UGP-Richtlinie und der Verbraucherrechte-Richtlinie

Flankierend zur geplanten Richtlinie zur Substantiierung und Kommunikation von umweltbezogener Werbung (Green Claims) wurde kommissionsseitig bereits 2022 der Vorschlag einer Richtlinie zur Änderung der Richtlinien 2005/29/EG und 2011/83/EU hinsichtlich der Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel durch besseren Schutz gegen unlautere Praktiken und bessere Informationen (COM(2022)0143 – C9-0128/2022 – 2022/0092(COD) veröffentlicht.

Nachdem im Mai 2023 bereits durch das Parlament Änderungen eingebracht wurden, erfuhr der Vorschlag zuletzt im Trilog eine spürbare und enorm praxisrelevante Verschärfung. Am 25.10.2023 hat der Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten seine Zustimmung zu einem Kompromiss erklärt, der diverse Änderungen enthält. Relevant ist vor allem ein weiterer geplanter Eintrag in die Liste der in jedem Fall als unlauter anzusehenden Geschäftspraktiken (Anhang I der UGP-Richtlinie; „Schwarze Liste“). Als stets unlauter soll demnach nach dem einzuführenden Nr. 4ab gelten:

“Claiming, based on greenhouse gas emissions offsetting, that a product has a neutral, reduced or positive impact on the environment in terms of greenhouse gas emissions.”

Wie sich aus Erwägungsgrund 11a des Kompromissvorschlags ergibt, sollen, falls die Richtlinie in dieser Fassung verabschiedet wird, Aussagen wie „klimaneutral“, „klima-kompensiert“ und „CO2-neutral zertifiziert“ stets unlauter und damit wettbewerbsrechtlich unzulässig sein, wenn dieser Effekt auf einer Kompensation der Emissionen beruht. Nicht von diesem Verbot erfasst sein soll, wie sich ebenfalls aus Erwägungsgrund 11a des Kompromissvorschlags ergibt, aber die Werbung mit Investitionen in Umweltinitiativen, soweit diese nicht irreführend ist.

Es ist nicht ganz unwahrscheinlich, dass die Richtlinie noch im laufenden Jahr 2024 verabschiedet wird. Ab Veröffentlichung werden die Mitgliedstaaten nach aktuellem Stand 24 Monate Zeit haben, die Regelungen in nationales Recht umzusetzen, welche 30 Monate nach Veröffentlichung der Richtlinie Geltung erlangen müssen. Bei einer Verabschiedung der Richtlinie noch im Jahr 2024 wäre unter Umständen schon 2026 mit der Geltung der neuen Bestimmungen, insbesondere der neuen Fassung des UWG, zu rechnen.

Lesen Sie hier zu den Inhalten des Richtlinienentwurfs der Kommission aus 2022.

C. Recht auf Reparatur

Auch für das „Recht auf Reparatur“ wird es 2024 weitergehen. Das Parlament hat bereits im November 2023 für den Vorschlag für eine Richtlinie über gemeinsame Vorschriften zur Förderung der Reparatur von Waren und zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/2394 und der Richtlinien (EU) 2019/771 und (EU) 2020/1828 Änderungsvorschläge beschlossen. Wie zu hören ist, soll die Richtlinie Mitte 2024 verabschiedet werden. Nach derzeitigem Stand sollen die Mitgliedstaaten 18 Monate Zeit für die Umsetzung bekommen, so dass mit der bundesgesetzlichen Umsetzung der Richtlinie frühestens in der ersten Jahreshälfte des Jahres 2026 zu rechnen ist.

Lesen Sie hier zum Richtlinienentwurf der Kommission und hier zu den Änderungsvorschlägen des Parlaments vom November 2023.

D. Videokonferenztechnik im Zivilprozess

Änderungen stehen auch im Hinblick auf die gerichtliche Durchsetzung (produkt-) rechtlicher Ansprüche ins Haus. Gerichtsverhandlungen sollen (weiter) virtualisiert werden, einem entsprechenden Referentenentwurf des BMJ aus dem November 2022 folgte am 24.05.2023 der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten.

Im Zentrum der geplanten Neuregelungen steht die Revision des § 128a ZPO. Bislang liegt die Entscheidung über die Gestattung der virtuellen Teilnahme einer Partei an der mündlichen Verhandlung im Ermessen des Gerichts und Parteien sind nicht verpflichtet, virtuell an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen. Die soll sich nach dem aktuellen Gesetzesentwurf (vgl. § 128 ZPO-E) ändern. Demnach kann der Vorsitzende die virtuelle Teilnahme an der mündlichen Verhandlung für Verfahrensbeteiligte auf Antrag gestatten oder von Amts wegen verbindlich anordnen. Falls die virtuelle Teilnahme beantragt wird, soll diese auch gestattet werden, die Ablehnung eines solchen Antrags ist zu begründen.

Eine weitere geplante Änderung liegt in der vorläufigen audiovisuellen Aufzeichnung von mündlichen Verhandlungen. Insofern könnte gerade in zivilrechtlichen Verfahren zu Produktfehlern für verfahrensbeteiligte Unternehmen das Risiko bestehen, dass die Aufzeichnungen gespeichert werden und, etwa im Wege der Amtshilfe, auch Behörden zur Verfügung stehen, die damit wesentlich einfacher Zugang zu den Inhalten mündlicher Verhandlungen hätten. Hier kann jedoch Entwarnung gegeben werden: Ausweislich § 160a ZPO-E soll eine Aufzeichnung nur zu Zwecken der Protokollerstellung erfolgen und die Aufzeichnungen wären, vgl. § 160a Abs. 4 ZPO-E, nach Herstellung des Protokolls bzw. nach Abschluss des Verfahrens zu löschen. Zudem soll Einsichtnahme lediglich den Parteien gewährt werden (vgl. § 160a Abs. 6 ZPO-E). Ob und inwieweit die ZPO und die anderen betroffenen Regelungen tatsächlich wie geplant geändert werden, ist derzeit noch offen. Zwar wurde der Entwurf der Regierung am 17.11.2023 mit einigen Änderungen vom Bundestag beschlossen. Der Bundesrat äußerte gerade zur Einschränkung des Ermessensspielraums des Gerichts hinsichtlich der Durchführung einer virtuellen Verhandlung starke Bedenken und verwies das Gesetz mit Beschluss vom 15.12.2023 in den Vermittlungsausschuss. Es bleibt abzuwarten, welche Bestimmungen letztlich in Gesetzesform gegossen werden und ob bzw. inwieweit sich Auswirkungen auf die gerichtliche Durchsetzung produktrechtlicher Ansprüche ergeben.

Haben Sie zu dieser News Fragen oder wollen Sie mit dem Autor über die News diskutieren? Kontaktieren Sie gerne: Dr. Florian Niermeier und Dr. Dominik Strobl

16. Januar 2024 Dr. Florian Niermeier